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260 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 6. Heft (Juni 1890.)
der sie sehr niederbeugte, und bemerkte dabei, sie würde
nun den ganzen folgenden Tag ängstlich und beklommen
sein, ohne zu wissen, warum*) — Eine Somnambule Kerner's
sprach im Schlafe von Feuerflammen, Drei Stunden später
war sie wach, klagte über eine wahre Todesangst; sie wisse
nicht, warum ihr so bange sei. Wieder zwei Stunden
später entstand Feuerall arm.**) — Eine andere Somnambule
Kernet*'s verlangte im Schlaf, man solle ihren Bruder kommen
lassen; erwacht bemerkte sie, sie hätte wie eine Ahnung,
dass ihr Bruder ankommen würde. Dass sie selber das
Verlangen gestellt, wusste sie nicht mehr.***)
Der Umstand, dass die beim Erwachen vergessenen
Vorstellungen des Schlaflebens durch Ideenassocia-
tion geweckt werden können, ist schon häufig von den
Magnetiseuren benutzt worden. Van Ghert Hess seine
Somnambule die Zahl 6 denken, wobei er den festen Willen
hatte, sie sollte, sobald sie nach dem Erwachen die Zahl
sehen oder denken würde, sich eines bestimmten Vorsatzes
oder eines anderen Gegenstandes erinnern.^) — Ein Anderer
hing seinem Somnambulen ein weisses Band um den Hals,
oder klebte ihm eine Oblate auf die Nase, mit dem Befehle,
nach dem Erwachen beim Anblick des Bandes oder der
Oblate sich irgend einer vorzunehmenden Handlung zu
erinnern.f f) Wie man sieht, ist der posthypnotische Befehl
keineswegs eine Erfindung der Neuzeit.
Es giebt eine gewisse Kategorie von Ahnungen, die sich
nur als unwiderstehlicher Drang, etwas Bestimmtes
zu thun, äussern, und wobei man sich keines Motives und
Zweckes bewusst ist. Diese Fälle haben ganz den Anschein,
als beruhten sie auf einem Ferngesicht, das zwar vergessen
wurde, aber gleichsam einen autoposthypnotischen Befehl
zurückliess, zu einer bestimmten Zeit eine bestimmte Handlung
vorzunehmen. Der Drang dazu stellt sich meistens
erst im letzten Augenblick ein, während er in der Zwischenzeit
vollkommen fehlte, ganz übereinstimmend mit dem
Vorgang bei posthypnotischen Befehlen. So bekam z. B. der
Pfarrer Henke einst den inneren Drang, zu einem Landmann
Düssern zu gehen. Er hatte diesen erst am Tage vorher
besucht, bekämpfte also seinen Trieb. Abends konnte er
nicht mehr widerstehen und ging in's Dorf. Nach der
*) Meier und Klein: — „Geschichte der hellsehenden Auguste
Müller." 79.
**) Kerner: — „Geschichte zweier Somnambulen." 156.
***) Kerner: — „Geschichte zweier Somnambulen," 294.
f) Kieser: — „Teilurismus". II. 249.
ff) Kieser: — „Archiv für thierischen Magnetismus." VI, 1. 165.
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