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Wiesendanger: Ton- oder Aetherkraft-Maschine. 277
Jmständen matt sich weiter schleppt und muthlos ist. Der
Steinsetzer, der im Takte (Rhythmus) seine Steine festrammt
, der Drescher der seine Garben bearbeitet, sie alle
haben eine weit bedeutendere Leistungsfähigkeit und
Ausdauer, wenn sie im Rhythmus arbeiten. Auch ist zu
bezweifeln, ob dieselben Kraftleistungen. wie sie das Tanzen
erfordert, ohne Klang und Rhythmus ausgeführt würden.
Sieht man nicht selbst altersschwache Leute, die kaum vom
Stuhle sich zu erheben vermögen, noch im Rhythmus der
Tanzweisen sich drehen? Wir haben also hier ganz
eklatante und höchst eigenthümliche Kraftäusserungen auf
Kosten von Ton und Rhythmus.
Gehen wir nun zu den physikalischen Erscheinungen
über, so finden wir u. A. die Thatsachen, dass z. B. der
Klang eines Tones alle ihm verwandten Töne mitschwingen
und erklingen lässt. Man stelle sich vor ein Klavier und
singe einen Ton, der in dessen Saiten enthalten ist, so
können wir ganz genau hören, dass dieser Ton ebenfalls
mitklingt. Von eklatanter Kraftäusserung des Tones spricht
die Thatsache, dass man im Stande ist, durch Hineinsingen
des richtigen Tones in ein Trinkglas dasselbe zu
zersprengen.
Im Ferneren soll durch den mit einem Geigenbogen
erzeugten Ton einer zwischen zwei Mauern eingespannten
und eingemauerten Saite die Mauer in Stücke zerbersten.
Berichtet nicht die Bibel von den „Posaunen von Jericho",
dass dieselben die Mauern der belagerten Stadt zum Einstürzen
brachten, und nach den oben angeführten Erfahrungen
der neuesten Zeit dürfte diese vielbelächelte, ungeheuere
Kraftwirkung von Tönen wohl nicht mehr so unbedingt in's
Reich der Fabeln zu verweisen sein.*)
Im Weiteren ist die Thatsache allgemein bekannt, dass,
wenn eine Anzahl Menschen im Marschtempo über eine
Brücke passirt, dieselbe in Gefahr kommt zusammen zu
brechen. Man mag versucht sein, diese Erscheinung einem
Schwanken zuzuschreiben, in welches die Brücke dadurch
versetzt wird, allein so unbedingt kann dieses nicht stimmen.
Es wird die Gefahr schon bei drei bis vier Personen
befürchtet, während doch die schwersten Lastwagen ohne
Gefahr für die Brücke passiren können. Würde nun bei
dem Marschieren eine eklatante Schwankung der Brücke
*) Etwas Aehnliches bietet ja auch die in der Neuzeit sich
experimentell vollauf bestätigende und doch durch über ein Jahrtausend
für pure Fabel gehaltene Ueberlieferung von einer Beruhigung der
Meereswellen um ein im Sturme befindliches bchiff durch ein verbält-
nissmässig geringes Quantum Oel. — Der Sekr. d. Red.
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