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290 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 6. lieft. (Juni 1890.)
der Heilkunde auf den Südseeinseln", besonders in Honolulu
auf Hawaji, wo er fast ein ganzes Jahr die ärztliche Praxis
unter den Kanaken ausübte. Ihre Heilkunst beruhe auf
Tradition und sei mit einem guten Theil Mystieismus
gepaart. Besonders charakteristisch sei das „Todbeten"
und das „Lumi-Lumi/' — „Wenn Jemand einen Todfeind
hat, so ist er fest überzeugt (also seelisch oder in seinem
Glemüthe beeindruckt, dass dieser Feind ihn mit Hilfe der
Götter todtbeten), d. h. so lange zu den Göttern beten
wird, bis der Erstere stirbt. Er fastet daher, verweigert
hartnäckig die Annahme von Speise und Trank, und nichts
kann ihn bewegen, etwas einzunehmen. Dank diesem Fasten
und Dank den Manipulationen seines Todfeindes, der ihm
einen aus 'Daphne indica' und <Lagenaria> (einer 'Cucumis'-
Art) bereiteten Gifttrank beizubringen weiss, stirbt er denn
auch bald. — Das 'Lumi-Lumi' ähnelt unserer Massage." —
g) Die Hand im Aberglauben — lautet der Titel
eines Artikels im „Daheim" Nr. 25 v. 22. März 1890 S.
393—399, welcher nach Prof. F. Baker% eines Anatomen zu
Washington, Mittheilungen aus dem Jahre 1888 berichtet,
dass Leidtragende die Hand einer Verstorbenen ergriffen
und damit erkrankte Theile ihres Körpers zur Heilung
berührt hätten. Keusche und tugendhafte Mädchen sollen
in ihrer Leichenhand dergleichen heilende Eigenschaften
besitzen — ein Brauch, welcher jedenfalls aus der alten
Welt in die neue hinüber gedrungen ist. In England soll
noch 1868 in Sussex Kropf durch Berührung mit der Hand
eines Gehängten zu heilen versucht worden sein. — Schon
im christlichen Mittelalter glaubte man an Heilungen durch
Reliquien, besonders aber durch die berühmte rechte Hand
Johannes des Täufers, welche nach Porter's neuerer „Geschichte
der Malteserritter" (London, 1883, p. 296) aus
Sebaste, wo der Heilige nach seiner Hinrichtung begraben
wurde, durch den heiligen Lukas und andere Anhänger nach
Antiochien gebracht wurde, weil mit ihr der Heiland getauft
worden. Der oströmische Kaiser Konstantin Porphyrogennetos
bestach im X. Jahrhundert einen Priester zu Antiochien,
der ihm die Hand stahl, welche nun in der Johanniskirche
zu Konstantinopel aufbewahrt wurde, wo sie bis zur
Eroberung der Stadt (1453) durch die Türken verblieb und
dann im Schatze des Sultans aufgestellt wurde, da der
Reliquienbehälter mit sehr kostbaren Edelsteinen besetzt
war. Sultan Bajazet schenkte die Hand dem Grossmeister
der Johanniter-Eitter, d'Aubusson, welcher sie zuerst in
Rhodus, dann in Malta aufbewahrte. Durch Berührung
mit dieser Reliquie sind unzählige „Heilungen" ausgeführt
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