http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1890/0383
Wittig: Psychophysiologie und Psyohometrie. 375
kleineren Theil der an jener Stelle eintretenden Wirkungen
dar; der grössere Theil besteht in jener Ueberleitung auf
die Bewegungsnerven, die, wie gesagt, vom bewussten
Willen geregelt wird. — In allen übrigen Stücken aber
darf ich Wundt für mich gegen Herzen anführen/4 —
Herr Prof. Wundt hat allem Anschein nach also doch
Etwas vom seligen Prof. Zöllner gelernt, uass es nämlich
einen in der Nervenmasse aufgehäuften Yorrath von Arbeit
(eine Art Explosivkraft) giebt, welche durch eine, wenn
auch von ihm für unkörperlich gehaltene, Seelenkraft ausgelöst
werden kann. Liessen sich dadurch denn nicht auch
die mediumistischen Wunder, tesonJers das durch Stade
bewirkte plötzliche Zerreissen des Zöllner'sehen Bettschirmes
erklären? Nannte das TAHne* nicht schon selbst „kata-
lytische Kräfte"?*) Aber seine Erfahrungen wurden
bekämpft und als eir> Beüug SJade's verschrieen, während
man die Resultate derselben sich jetzt selbst zueignet.
Unser Gewährsmann Herr Jcntsch lobt an Wundt, dass er
„bei jeder Gelegenheit dem Materialismus entschieden entgegentrete
. Aufs strengste unterscheidet er die körperliche
Grundlage des Seelenlebens von diesem selbst, z. B. die
physiologischen Bedingungen von der psychischen Synthese,
d. h. dem Verschmelzen verschiedener Empfindungen im
Bewusstsein; die gegenseitige Beziehung zwischen Leib und
Seele drückt er in dem Satze aus: — 'Die Synthese der
Empfindungen wie die Assoziation der Vorstellungen sehen
wir nun überall an bestimmte Verhältnisse der physischen
Organisation gebunden/ — Er unterscheidet die physischen
und die psychischen Dispositionen, die Bereitschaft einerseits
des Gehirns, anderseits der Seele zur Uebernahme gewisser
Verrichtungen, und meint, dass wir zwar die ersteren,
niemals aber die letzteren näher kennen zu lernen hofien
dürfen. Er findet, dass die physischen Dispositionen nicht
allein Bedingungen, sondern auch gewissermaassen Bilder
der geistigen sind, aber er lässt nicht beide in eins zusammenfallen
. — Nicht einmal das Gedächtniss, nach der
Empfindung die niedrigste unter den geistigen Thätigkeiten,
lässt er als blosse Gehirnfunction gelten. Den Willen
bezeichnet er als eine nicht weiter erklärbare Thatsache
des Bewusstseins und zeigt zwar, wie der Wille sich aus
oder an körperlichen Bewegungen entwickelt, begeht aber
nicht die — wie Herbart sich ausdrücken würde — Geschmacklosigkeit
, den Willen oder irgend eine geistige
Thätigkeit für eine Körperbewegung zu halten. Er erachtet
*) Vergl. „Psych, Stud." April-Heft 1888 S. 161,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1890/0383