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378 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 8. Heft. (August 1890.)
auch das Mikroskop das Raummaass gewisser für unser
gewöhnliches Augenmaass unsichtbarer Wesen nicht verkürzt,
sondern vergrössert, (nur das Teleskop verkürzt es), so thut
es dies doch bei allen ihm supponirten Wesen gleichmässig;
nicht aber geschieht diess bei der psychischen Phantasie
und Traumwelt in exact gleicher Weise. Es ist wahr, wenn
er sagt; — „Vollzöge ein sichtbarer Stab so viele Schwingungen
in der Sekunde, wie nach den Berechnungen der Optiker ein
Lichtwellen fortpflanzendes Aethertheilchen, so würde er
uns stillzustehen scheinen, weil eine Bewegung, die keine
Billiontelsekunde in Anspruch nimmt, von uns nicht wahrgenommen
wird." — Könnte man aber den schwingenden
Stab unter ein so grosses und starkes Mikroskop bringen,
um seine Oscillationen bis zu seinen Endpunkten zu sehen,
so würden wir ihn sehr wohl in Bewegung erblickeu, wie
die im Aether auf und ab wallende untergehende Sonnenkugel
in einem mächtigen Fernrohre, die doch dem blossen
Auge fest und rund erscheint, oder wie die beiden Hauptzeiger
einer kleinen Uhr unter einem stark vergrössernden
Mikroskop, welche man mit gewöhnlichem Auge in einem
Momente kaum fortrücken sieht. Herr Jentsch hat also
Herrn du Prel durch seine Einwürfe mit nichten widerlegt,
und was er sonst noch gegen die Psychometrie beibringt,
gehört nicht zur Bekämpfung des von ihm „Mysticismus"
genannten Spiritismus. Im Gregentheil, Herr Jentsch hat
sich durch folgenden Satz glänzend selbst widerlegt und
du PreVs Schlussfolgerung mehr als gerechtfertigt: — „Die
musikalische Anlage sodann, d. h. die Fähigkeit, Instrumente
zu spielen, wird durch eine gute Verbindung der Gehörsregion
im Gehirn mit jenen Nerven, die den Fingern
Bewegungsantriebe ertheilen, hinlänglich erklärt. Anderseits:
wenn Jemand aus Beethoven1^ neunter Symphonie das Bingen
eines edeln Geistes heraushört, der dem Ziele nahe kommt,
ohne es völlig zu erreichen, so hat das mit irgend welchen
Einrichtungen des Gehörorgans und des Gehirns ofienbar
nichts mehr zu schaffen/4 — Ist denn das nicht die von
du Prel behauptete Unabhängigkeit des Traumbewusstseins
vom materiellen Nervenapparate?
Einverstanden sind wir mit Herrn Jentsch am Schlüsse,
denn er vertritt da des seligen Zöllner^ Ansichten über die
Vivisektion: — „Herzen giebt die Ausführungen Schiffs
wieder. Dass jede Thätigkeit des Hirns dessen Temperatur
erhöht, und dass die Zeitdauer der Temperaturerhöhung
mit der des Bewusstseinsvorganges zusammenfällt, würden
wir Schiff aufs Wort glauben auch ohne jene Versuche,
die er mit wunderbarem Scharfsinn ersonnen und mit
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