http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1890/0392
384 Pyschische Studien. XVII. Jahrg. 8. Heft. (August 1890.)
Zustand absolut nichts von dem weiss, was er in seinem
zweiten Zustand thut, erinnert er sich des letzteren mit
allen Einzelnheiten, wenn man ihn in hypnotischen Schlaf
versetzt. Wachend weiss er nicht, was er in den obenerwähnten
Wochen gethan hat; schlafend erzählt er alle
Einzelnheiten seiner Reise. Die 500 Prs. hat er geborgt,
weil er sein Geld im Spiel verlor; er nennt die verlorenen
Summen und die Namen der Mitspieler. Ebenso erzählt er
genau, was er gethan, nachdem er das Restaurant des
Quartier Latin verlassen. Er nahm einen Wagen und Hess
sich nach dem Ostbahnhof fahren; dort stieg er in den
Zug 1 Uhr 25 Minuten; er kam nach Troyes um 5 Uhr
27 Minuten, begab sich in das „Hotel du Commerce" und
bekam dort das Zimmer Nr. 5. Er legte seinen Ueberzieher,
in welchem sich sein Portemonnaie befand, auf die Rucklehne
eines Pauteuils, ging in's Cafe auf dem Platze Notre Dame,
machte Besuch bei einem Kaufmann, blieb bis neun Uhr
Abends bei einem Herrn C, dann ging er schlafen. Des
anderen Tags stand er um 8 Uhr auf, frühstückte bei Herrn
C, dann ging er durch die Pariser Strasse. Dort fühlte er
sich auf einmal unwohl; er wandte sich an einen Sergeanten,
der ihn nach dem Polizeikommissariat führte, von wo er
ins Spital gebracht wurde. Dort erwachte er. Alle diese
Einzelheiten haben sich als absolut richtig erwiesen. Sechs
Monate später, als man Alles, was er in Troyes gethan,
durch ihn selbst erfahren hatte, ersuchte man ihn, er möge
an das „Hotel du Commerce'* schreiben, man solle ihm
seinen Ueberzieher schicken. Das begriff er nicht, aber er
that es. Wie sehr war er überrascht, als er drei Tage
darnach nicht blos seinen Ueberzieher, sondern auch sein
Portemonnaie mit den 226 Pranken erhielt! Auf Grund
seiner im hypnotischen Schlafe gegebenen Darstellung
wurde nun dem Gerichte, das ihn wegen Betrugs verurtheilt
hatte, der richtige Sachverhalt dargestellt, worauf der
Prozess revidirt und das Urtheil aufgehoben wurde. Später
gerieth er noch einmal mit den Gerichten in Konflikt. Im
Zustande seines zweiten Ich hatte er von einem Angestellten
des Justizpalastes unter unwahren Angaben Geld geborgt
und war deshalb verklagt worden; auf Grund eines ärztlichen
Berichtes wurde er jedoch ausser Verfolgung gesetzt»
Es scheint daraus hervorzugehen, dass die beiden Zustände
nicht blos ein verschiedenes Bewusstsein, sondern auch verschiedene
moralische Eigenschaften aufweisen. X. Nr. 1 ist
solid, ruhig und verständig, X. Nr. 2 bummelt, spielt, macht
Exzesse und fällt schliesslich der Polizei in die Hände.
Henri de Parville meint, die Erscheinung des doppelten
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1890/0392