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Kurze Notizen.
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der Natur gern verfolge und bewundere, nun, wie der
Deutsche manchmal aus der Natur auf sich zurückschliesst,
auch aus einer Naturerscheinung einen Schluss auf unsere
Verhältnisse ziehen. Es war auf Meiner ersten Fahrt mit
dem Geschwader nach der Ostsee. Ich fuhr seit Morgens
3 Uhr in tiefem Nebel, und man hörte nur das Tönen der
Sirenen und von Zeit zu Zeit Kanonenschüsse, die die
Position der Schiffe angaben. Um 8 Uhr sollte ein
Kurswechsel eintreten, der Nebel war so dick, dass
nicht einmal bis zu dem Kartenhaus des Schiffes zu sehen
war, geschweige denn von einem Schiffe auf das andere;
und es stiegen Bedenken auf, wie der Kurswechsel stattfinden
würde. Er fand statt, und ungefähr eine Stunde
nachher kamen wir mit der 'Hohenzollern* plötzlich aus der
Nebelbank heraus und fuhren mit frischem Winde und
ruhigem Wasser bei blauem Himmel und hell leuchtender
Morgensonne. Der Blick wendete sich zunächst rückwärts
nach der Nebelbank, die wie eine grosse mächtige Wolke
auf dem Meere lag, aus der nur die Laute der tönenden
Sirenen uns entgegenschallten. Mit einem Male sahen wir
hoch in den Wolken, anscheinend wie von der Hand eines
Cherubin getragen, die deutsche Plagge allein durch die
Wolken einherziehen; es war die Admiralsflagge, die an
dem grossen Mast des 'Kaiser' wehte, der, als Leiter der
Division noch im Nebel fahrend, uns gefolgt war. Es war
dies ein so überraschender Anblick, dass Alle, die mit uns
auf der Brücke zusammen waren, unwillkürlich die Hacken
zusammennahmen und dieses Naturwunder betrachteten.
Zehn Minuten darauf tauchte das gesammte Geschwader
in tadelloser Ordnung im neuen Kurs aus dem Nebel
hervor. Meine Herren, aus diesem Bilde schliesse Ich,
dass, was auch unserem Vaterlande, unserer Marine und
dem Handel für Nebel und dunkle Stunden bestimmt seien,
es uns Deutschen doch gelingen wird, diese Nebel und
dunklen Stunden zu überwinden und bei kräftigem Vorwärtsstreben
unser Ziel zu erreichen nach dem guten
Grundsatz: — 'Wir Deutschen fürchten Gott, sonst
Niemand auf der Welt V *) U. s. w." — Das ist zwar des
blauen Nebel-Wunders, aber darum noch nicht seines
Zeichens und seiner damit verknüpften Vorbedeutung Ende.
*) Ueber den weit früheren Gebrauch dieses Sprichwortes sehe
man „Psych. Stud.44 April-Heft 1890, S. 158, die drei letzten Zeilen,
woselbst es vielleicht richtiger heissen sollte: „Verlasset Ihr Euch
darauf, dass der, welcher Gott fürchtet, sich vor nichts in der Welt
zu fürchten braueht u* s, w." — Der Sekr. d. Red.
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