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394 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 9. Heft. (September 1890.)
Brooklyn finden schon seit Jahren mediumistische Sitzungen
statt, zu denen gelegentlich ein intimer Freund zugezogen
wird. Dass sich das schon bejahrte Ehepaar nicht selbst
betrügt und eben so wenig deren Kinder und Freunde zu
betrügen gedenkt, steht unumstösslich fest. Dass demselben
eher Nachtheil als auch nur der geringste pekuniäre Vortheil
aus den Seancen erwächst, davon bin ich ebenso fest überzeugt
und im übrigen von allen Vorgängen aufs Genaueste
unterrichtet.
Die in jeder Hinsicht höchst respectable Hausfrau und
Mutter erwachsener Söhne und Töchter besitzt ziemlich
starke mediumistische Anlagen, die sich mii den Jahren
entwickelt haben, immerhin aber nicht kräftig oder nicht
ausgebildet genug sind, um andere, als die mehr oder weniger
bekannten Manifestationen zuzulassen. Dieselben beruhen
in Mittheilungen intelligenter, unsichtbar handelnder, seelisch
begabter und logisch denkender Wesen. Wöchentlich zweimal
hält dieses Ehepaar eine Sitzung, welcher eines oder das
andere ihrer Kinder beizuwohnen pflegt. Das zu diesem
Zwecke benutzte Zimmer dient als Schlafgemach des Ehepaars
. Die Ausstattung dieses freundlichen, gegen die
Greene Avenue gelegenen Zimmers besteht aus einem zwei-
schläfigen Bett, einem Bureau, Waschtisch, Kleiderschrank,
einem halben Dutzend Stühle und einem runden Tisch.
Den Boden bedeckt ein schwerer Teppich, an den drei
Fenstern sind Spitzenvorhänge angebracht. Das stattliche
Haus wird von der Familie allein bewohnt.
Dienstag und Freitag Abends um 8 Uhr gruppiren sich
in diesem Zimmer bei gewöhnlicher Beleuchtung die Anwesenden
um den runden Tisch. Jedes derselben legt die
Hände leicht auf die Tischplatte, ohne sich gegenseitig zu
berühren. Nach einigen Minuten ruhigen Abwartens, welches
zur Sammlung des Gemüthes dient und mit einem leise
gesprochenen Gebete am schnellsten erzielt wird, lässt sich
in der Mitte der Tischplatte ein kräftiges Pochen vernehmen,
womit angezeigt wird, dass die harmonische Seelenstimmung
und der geistige Rapport hergestellt ist.
Das unsichtbare „controlirende" Wesen wird nun von
dem sichtbaren, d. h. von der stattlichen Frau des Hauses,
mit einigen Worten des Dankes willkommen geheissen. Dann
stimmt sie einen Gesang aus der in spiritistischen Kreisen
im Gebrauche stehenden Liedersammlung an. Die prächtige
und geschulte Sopranstimme steht in krassem Widerspruch
mit dem durchaus unmusikalischen Gebrumme und dem
chronischen Falschsingen des Berichterstatters, aber die
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