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402 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 9. Heft. (September 1890.)
Leipzig entschieden, und am 14. Oktober 1815 kam er als
Gefangener auf dem „Northumberland" in Sicht der Insel
St. Helena. — Am 2. December 1804 krönte sich Napoleon
selbst zum Kaiser; am 2. December 1805 siegte er bei
Austerlitz, und am 2. December 1812 floh er aus den
Schneewüsten Russlands. —
Aehnlich dem schlaehtcngewaltigen Kaiser waren die
Marschälle Napoleon's für übersinnliche Eindrücke empfänglich
. So erzählt der ehemalige Adjutant des Marschalls
Bessieres, de Baudus, in seinen „Etudes sur Napoleon" folgende
Ahnung des Marschalls: — „Am 30. Mai 1813 brachte das
kaiserliche Hauptquartier die Nacht in Weissenfeis zu. Auch
der Marschall Bessieres, welcher die ganze Cavallerie com-
mandirte, schlief hier. Ich frühstückte am anderen Morgen
allein mit ihm, fand ihn sehr traurig und niedergeschlagen,
und konnte ihn lange nicht bewegen, etwas von den aufgetragenen
Speisen zu geniessen; er antwortete immer, er
habe keinen Hunger. Ich machte ihm bemerklich, dass
unsere und die feindlichen Vorposten einander gegenüber
ständen und wir folglich einen ernsthaften Kampf erwarten
müssten, der uns wahrscheinlich den ganzen Tag nicht erlauben
würde, etwas zu essen. Der Marschall gab endlich
nach und sagte: — 'Nun, wenn mich diesen Vormittag eine
Kugel trifft, so soll sie mich wenigstens nicht mit nüchternem
Magen finden.'
„Als er vom Tische aufstand, gab mir der Marschall
den Schlüssel zu seinem Portefeuille und sagte: — 'Suchen
Sie doch gefälligst die Briefe von meiner Frau.' — Ich
that es und gab sie ihm. Er nahm sie und warf sie in's
Feuer. Bis dahin hatte er sie sorgfältig aufbewahrt. Die
Frau Herzogin von Istrien hat mich seitdem versichert, der
Marschall habe beim Abschiede zu mehreren Personen
gesagt, er werde von diesem Feldzug nicht zurückkommen.
„Der Kaiser stieg zu Pferde, und der Marschall folgte
ihm. Sein Gesicht war so bleich, und seine Züge verriethen
so tiefe Traurigkeit, dass es mir nicht entgehen konnte, und
ich sagte zu einem Kameraden: — 'Wenn es heute zu
einer Schlacht kommt, wird der Marschall wohl bleiben/
— Die Schlacht begann. Der Herzog von Elchingen *) hatte
das Dorf Rippach mit seiner Infanterie besetzt, und der
Herzog von Istrien**) bereitete sich, das Defile zu recog-
nosciren, aus welchem der Feind verdrängt war, während
er mit seinen Truppen hindurch marschiren wollte. Als er
*) Marschall Ney.
**) Marschall Bessieres.
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