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406 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 9. Heft. (September 1890).
dessen, welcher dem Gefallenen den letzten Liebesdienst
erwiesen." —
Ein ganz ähnliches zweites Gesicht hatte der
russische Officier von R. in St. Petersburg. Es heisst
darüber:*) — „Herr von Ä. hat bei dem ersten Feldzug,
den er mitmachte, nämlich in der Schlacht bei Leipzig, den
rechten Arm bis oben an die Schulter verloren. Den Tag
vor seiner Abreise von Petersburg war er daselbst auf
einem Maskenball; indem er von einer Seite des Saales
zum anderen auf eine Gruppe von Masken zugehen will,
fühlt er plötzlich einen gelinden Schlag auf seine rechte
Schulter, sieht sich um und findet Niemand, der ihm
solchen beigebracht haben könnte, auch war das Orchester
nicht an dieser Stelle, sondern ganz am Ende des Saales.
Indem er aber nach der Epaulette sieht, welche die Officiere
auch im Domino hervorwenden müssen, damit man sie und
ihren Rang erkenne, sieht er einen schwarzen Fleck darauf;
er greift danach und findet, dass es Blut ist, wovon sein
Handschuh gefärbt wird. Nach Haus gekommen, zeigt (?)
und erzählt er es seiner Schwester, die sogleich erwidert,
er werde in diesem ersten Feldzug seinen rechten Arm
verlieren. Sie packt ihm sogleich Charpie und Bandagen
ein, die er aber unterwegs auf der Reise wegwirft. Inzwischen
geschah, was seine Schwester ihm vorausgesagt
hatte." —
Folgendes an das Uebersinnliche streifende merkwürdige
psychologische Ereigniss knüpft sich ebenfalls an die Schlacht
bei Leipzig:**) — „Herr von Kleist und sein Freund Herr
von Wintergarten gingen nach der Schlacht von Leipzig
über das Schlachtfeld und trafen einen schwer verwundeten
französischen Officier, der sie flehentlich bat, seinem Leben
ein Ende zu machen und ihn vollends zu tödten. Die beiden
Freunde gingen aber fort, um einen Chirurgen zu holen,
der dem Officier beistehen sollte. Dieser aber, da er sah,
dass sie seine Bitte nicht erfüllen wollten, rief ihnen die
grässlichsten Flüche und Verwünschungen nach. Längere
Zeit nach diesem Vorfall wollte Kleist einen Oheim in den
Rheingegenden besuchen, sein Freund Wintergarten begleitete
ihn; sie trafen den Oheim nicht zu Hause und
machten deswegen einen Spaziergang mit einander; auf
diesem Gang kamen sie an eine Ruine, in der ein noch
ziemlich gut erhaltener Thurm war; es war eine schöne
Mondscheinnacht, und da der Oheim noch nichts von ihrer
*) Kerner1* „Magikon". I. S 359.
**) A. a. 0. Bd. I. S. 214.
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