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Kiesewetter: Uebersinnliches aus der Zeit Napoleon's I. 407
Ankunft wisse, also auch nicht in Sorge um sie sein könne,
so beschlossen sie, hier über Nacht zu bleiben. Der
Wächter, dem sie es sagten, rieth ihnen ab, es zu thun,
der Thurm sei nicht zum Bewohnen eingerichtet und habe
keine Betten u. s. w* Da sie aber doch nicht davon abstehen
wollten, sagte er ihnen: es sei in diesem Thurme
nicht sicher vor Gespenstern, und sie würden gewiss
unglücklich, wenn sie hier blieben; dieses aber reizte sie
um so mehr — sie blieben, Hessen sich Licht bringen und
setzten sich an einem Tischchen, jeder eine geladene Pistole
vor sich und zwei Lichter, einander gegenüber und redeten
so lange mit einander, — Mitternacht war vorüber, — ohne
dass ihnen etwas begegnete. Auf einmal sah Kleist, dass die
Thür aufging und der französische Officier, der ihnen die
fürchterlichen Flüche und Verwünschungen nachgerufen
hatte, trat herein, und auf einem Teller hielt er den Kopf
von Wintergarten, den er Kleist hinhielt. Dieser, darüber
ganz entsetzt, wehrte ihn von sich ab, — der Franzose
drang aber immer heftiger auf ihn ein, und Kleist nahm in
der Verzweiflung seine Pistole und feuerte sie auf die Erscheinung
ab, — er erwachte, — und sein Freund Wintergarten
lag todt vor ihm, die Kugel war mitten durch die Brust
gegangen. Kleist war von diesem Augenblick an wahnsinnig.
— Er wurde wieder geheilt und befand sich nach mehreren
Jahren in einer Gesellschaft. von Officieren in Berlin; diese
baten ihn, doch diesen Vorfall zu erzählen; er weigerte
sich lange, konnte aber endlich ihren Bitten nicht mehr
ausweichen, und er erzählte; als er an den Moment kam,
wo sein Freund von ihm erschossen wurde, kehrte sein
Wahnsinn zurück, er wurde nie wieder davon hergestellt."
Einen auf die Schlachten von Fleurus und Waterloo bezüglichen
Wahrtraum erzählt eine Gräfin N. mit folgenden
Worten: — „Die Tage der Schlachten von Fleurus*) und
von Waterloo befand ich mich in der Oberlausitz auf einem
mir gehörenden Landgute. Am 17. Juni 1815 sah ich, wie
Jedermann, früh 10 Uhr einen seltsamen buntfarbigen Kreis
um die Sonne, deren Scheibe mit einem schwarzen Schwert
in zwei Theile getrennt zu sein schien» Die darauf folgende
Nacht träumte mir: — Ich befinde mich in dem Saale des
Schlosses Chambord, umgeben mit Officieren aller Nationen.
Ich wollte mich entfernen, ward aber veranlasst zu bleiben,
um die Todten zu benennen, welche, wie die Blessirten, in
Folge einer bedeutenden Schlacht vorbeigetragen werden
*) Es ist das am 16, Juni 1815 von den Preussen und Franzosen
gelieferte Treffen gemeint. — C. K
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