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Kurse Notizen.
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ein Todtenkopf gemalt war, die Unterschriften folgender
Art trugen: — „Ihr seid dumm und ich bin dumm, und
morgen dreh ich euch die Köpfe um." — Diese „geheimnissvollen
" Drohungen haben unter den Kleinen die grösste
Aufregung hervorgerufen, umsomehr, als ja leider unserer
Kinderwelt durch den „schwarzen Mann" und den „Mummelsack
", sowie durch die bekannten Ammenmärchen die
Furcht vor Geistern und Gespenstern von früher Jugend
anerzogen wird. Bereits am Montag entstand, wie wir schon
erwähnten, in der Gemeindeschule in der Frankfurter Strasse
das Gerücht von der Anwesenheit von Gespenstern, welches
sogar von älteren Frauen geglaubt wurde und Menschenansammlungen
vor dem Schulgebäude veranlasste. Dienstag
früh wurde zum Ueberfluss in der Georgenkirchstrasse vor
der dortigen Gemeindeschule die Aufregung der Kinder
dadurch noch erhöht, dass sich fünf Kinder auf den Fahrdamm
hinstellten und, das Schulgebäude anstarrend, erzählten
, in demselben seien Gespenster. Die Folge davon
war, dass eine Abtheilung Schutzleute unter Leitung eines
Polizeilieutenants am Orte erscheinen musste, um die
Tausende, die sich dort ansammelten, zu zerstreuen.
Bezüglich der Panik in der Schule in der Friedenstrasse
verlautet noch, dass der Lehrer der zweiten Mädchenciasse
für einige Augenblicke den Schulraum verlassen hatte, als
sich der Vorgang dort abspielte. Bei der wilden Flucht
die Treppe hinab wurden insbesondere die schwächeren
Mädchen zu Boden gerissen und mit Füssen getreten. Hierbei
erlitten einige Kinder erhebliche Verletzungen, so die vierzehnjährige
, in der Weydingerstrasse wohnende K., welche
durch Fusstritte am Kopfe derartige Verletzungen erlitten
hat, dass sie bettlägerig ist. Ein in der Linienstrasse
wohnender Knabe hat eine Contusion der Kniescheibe erlitten
und fieberte in Folge dieser Verletzung, sowie der
ausgestandenen Angst. Der Vorgang, der sich wie ein
Lauffeuer durch die Stadt verbreitete, veranlasste eine wahre
Völkerwanderung nach der Friedenstrasse.
g) Die Gespensterfurcht in den Berliner Schulen.
— In der Königl. Elisabethschule zu Berlin kam gestern
eine ähnliche Gespensterpanik zum Ausbruch, wie dieser
Tage in der 137. Gemeindeschule. Auch in einigen anderen
Schulen haben sich derartige Scenen abgespielt, wobei es
zu leichteren Oontusionen der erschreckten Schüler kam.
h) Anästhesie. — Der fürchterlichen That, welche
sich dieser Tage in Gräfenwerth bei Schleiz ereignete, indem
der geistig gestörte Gutsbesitzer Eduard Zeh in einem
Anfalle von Tobsucht seine Frau und den Gutsauszügler
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