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Karze Notisen,
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bei der Untersuchung nichts Abnormes entdecken liess,
erschien in Begleitung seines Vaters und wurde in Gegenwart
desselben beeinflusst; er wurde schnell und tief müde,
liess deutlich Anästhesie erkennen, blieb aber bei vollem
Bewusstsein, so dass er über Alles, was mit ihm vorging,
orientirt war, auf Fragen richtig antwortete u. s. w. Es
wurde ihm suggerirt, dass sein Kehlkopf bis heute krank
gewesen, jetzt aber gesund sei, dass er heute nicht mehr
husten und in der folgenden .Nacht ausgezeichnet schlafen
würde; diese in lautem energischen Tone ausgesprochene
Suggestion wurde mehrmals wiederholt und von sanftem
Streichen und Drücken des Larynx begleitet. „Du kannst
jetzt nicht mehr husten, es ist Dir unmöglich, und wenn
Du zu Bette kommst, wirst Du unverzüglich einschlafen
und die ganze Nacht nicht ein einziges Mal aufwachen .. .
hast Du mich verstanden?" — »Ja", lautete die Antwort.
— „Du bist jetzt ganz gesund und wirst mir nachsprechen:
ich weiss, dass ich jetzt ganz gesund bin." — Der Patient
wiederholte die Worte laut und deutlich, wurde noch
anderthalb Minuten sich selbst überlassen und dann durch
einen leichten Schlag auf die Stirne völlig wach gemacht.
Am nächsten Tage — es war am 5. Februar — erschien
der Vater wieder bei mir; der Knabe begleitete ihn nicht,
denn „er ist gesund, Sie brauchen ihn nicht mehr wieder
zu sehen", so lautete seine Mittheilung. Die Erzählung,
wie der Kranke schon am Nachmittag nicht mehr gehustet
habe, wie er Abends zu Bette gebracht wurde und sofort
eingeschlafen sei, wie die Angehörigen von Stunde zu Stunde
gewacht, ob und wann der Husten eintreten würde, rief in
mir einen tiefgehenden Eindruck hervor, der verstärkt
wurde, als sich herausstellte, dass nicht blos die eine Nacht
gut gewesen sei, sondern dass alle folgenden der ersten
glichen, mit einem Worte, dass der Knabe gesund, und
zwar völlig und dauernd gesund war. Das Urlaubsgesuch
wurde rückgängig gemacht, der Knabe blieb zu Hause,
genoss wieder regelmässig Unterricht und ist noch heute,
nachdem mehr als drei Monate verstrichen sind, durchaus
gesund.
n) Ein Correspondent, Herr Reichenbach aus Brandenburg,
theilt uns unter'm 28. Juni er. folgendes Erlebniss mit: —
„Ich besuchte im Sommer 1856 meinen Vater das letzte
Mal in Sorau. Als ich, wie ich erwarten konnte, Abschied
von ihm nahm, weil ich ihn nicht mehr lebend sehen würde,
sagte er: — 'Wenn ich werde todt sein, werde ich Euch
in Wandlitz spuken.' — Was geschah? Ich war am
28, November Vormittags sehr ermüdet und ausgefroren
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