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472 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1890.)
Wilhelm IL, nahm Interesse an der Aufführung, und weil
in jenen ersten Zeiten seines Herrscherthums [Es war wohl
noch im Jahre 1787 oder Anfang 1788, als er erst im
zweiten Jahre regierte! — Refer.] Vorsätze von Reformen
ihn noch erfüllen mochten, sah er den Auftritt zwischen
Philipp und Posa voll Theilnahme an: — 'Die Scene soll
gut gespielt worden und Seiner Majestät dem dicken — sehr
ans Herz gegangen sein', berichtet Schiller, — 'ich erwarte
nun alle Tage eine Vocation nach Berlin, um Herzher
Stelle zu übernehmen und den preussischen Staat zu
regieren.'" — Schiller verdanken wir ja aaeh in Folge der
früher (1760) in Hessen-Kassel (s. „Psych. Stud." Mai-Heft
1889 S. 253 sub g) wie später 1787 in Oharlottenburg
spielenden Geistererscheinungen den leider unvollendet
gebliebenen Roman: — „Der Geisterseher'4, der 1789 in
seinem 1. Bande zu Leipzig erschien.
Wir bleiben dabei: ein in allen damaligen Wissenschaften
und Künsten, besonders in der Musik, die sogar den jungen
Beethoven einmal an seinen Hof zog, so gediegen und unter
seinem Oheim Friedrich dem Grossen so freigeistig erzogener
Prinz konnte unmöglich so leicht das Opfer eines Betrugs
durch Hohlspiegel und Räucherwerk werden. Die ganze
Sache muss sich anders verhalten haben, als deren so
eklatant sich widersprechende Gegner berichten, welche das
einemal die Rietz als im geheimen Bunde mit den Rosenkreuzern
, das andere Mal wieder die letzteren als Gegner
der Rietz verleumden. Unser neuester Gewährsmann meint
schliesslich von ihr: — „Und wenn sie auch wacker mitgeholfen
hat bei der Verschwendung (V) des Staatsschatzes
von 50 Millionen Thalern, die der sparsame Friedrich der
Grosse seinem Nachfolger hinterlassen, wenn ihr (?) auch
ein grosser Theil der 48 Millionen Schulden, welche
Friedrich Wilhelm IL gemacht hat, zur Last fällt, so war
sie doch noch nicht die schlechteste Maitresse, die das
vorige Jahrhundert hervorgebracht. Sie und den König
umschlang ein Band inniger Liebe, das sich in den Jahren,
wo die Sinnlichkeit ausgeschlossen, in warme Freundschaft
verwandelte." — Ueber ihre eigentliche Schuld, resp.
Unschuld, an dieser Verschwendung, die in ganz anderen
Gründen wurzelt, haben wir bereits in „Psych. Studien4'
Juli-Heft 1887 S. 323 ff. ausführlicher gehandelt. Für uns
handelt es sich um ein historisches Problem, welches noch
nicht vollständig aufgeklärt ist, so dass wir die Aufmerksamkeit
von Sachkennern und Geschichtsforschern erneut
auf diese Fragen hinlenken möchten.
Ein weiterer Beitrag von Interesse dürfte hierzu noch
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1890/0480