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496 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 11. Heft. (November 1890.)
geschlossen bleibt, das kleine Medium die Abkürzung des
Namens meines Vaters gehört hätte, es diesen doch leicht
hätte vervollständigen können. Oder hatte ich, bei jedem
einzelnen Buchstaben des Namens im Alphabet angelangt,
eine Bewegung gemacht, die verrieth, dass dies der richtige
Buchstabe sei?
Nach diesem Versuche machten wir eine kleine Pause.
Ich gewann in dieser die ruhige Ueberlegung wieder, die
mir in der begreiflichen Erregung verloren gegangen war.
Der kleine S. war wie aus dem Wasser gezogen, die grossen
Schweisstropfen standen ihm auf der Stirn, Der Vater
bereitete ihm eine erfrischende Limonade. Ich sann und
sann. Ich konnte allenfalls verstehen, dass mit der mir
ertheilten Beruhigung, mein Kind erfreue sich nach seinem
Tode eines glücklichen Daseins, ein zwischen S. und seinem
neunjährigen Sohne verabredeter frommer Betrug beabsichtigt
war, der mich, den trostlosen Vater, aufrichten sollte. Wie
verhielt es sich aber mit der zweiten Frage nach dem Namen
meines Vaters, die weder S. noch sein Sohn voraussehen
konnten? Hier stehe ich vor einem Räthsel, dessen
Lösung mir noch heute nicht gelungen. War der
kleine S. vielleicht Gedankenleser?*) War er überhaupt der
Motor des Tisches? In dem zweiten Theile der Sitzung
versicherte mich Niemand Geringeres als Goethe seiner Huld,
wovon ich und, was viel schlimmer, auch meine Leser bisher
nichts gemerkt haben. Auf die Geister ist kein Verlass!
Während der kleine S. und ich am Tische wieder Platz
genommen und unsere Hände aufgelegt hatten, setzte sich
der alte Herr ans Klavier und spielte eine Haydn^üiQ
Sonate, was ein von ihm erprobtes Mittel war, die Geister
in eine besonders fidele Stimmung zu versetzen. Der Tisch
machte denn auch allerhand Kapriolen und stampfte ganz
gewaltig den Pussboden. Erschreckt bat S. mit demüthiger
Geberde und freundlich eindringlicher Stimme die Geister,
doch nicht allzu laut zu sein, da die Bewohner in der
unteren Etage dadurch gestört werden könnten, und sein
Wirth ihm die Wohnung kündigen möchte. Die Herren
der vierten Dimension nahmen aber davon keine Notiz.
Das Pochen und Tanzen des Tisches dauerte fort, und S.
eilte, seinen alten Winterüberzieher unter denselben zu
legen, um die sich durch die Tischbeine bemerklich machende
Fröhlichkeit der Materielosen etwas zu dämpfen.
*) Hierzu vergl. man das von Dr. du Prel „Psych. Stud." Oetober-
Heft 1890 S. 458 ff. über „Gedankenübertragung*4 und „Hellsehen"
Gesagte. — Der Sekr. d. Eed.
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