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Brandes: Pariser Plaudereien über spiritistische Erlebnisse, 497
Ich nahm darauf die Reihe meiner Fragen von Neuem
auf» Es lag ein Band Schopenhauer und die Bibel auf dem
Tische. Der alte Frankfurter Zweifler wurde citirt. Er
gestand mir, dass er sich ganz gehörig mit seiner Philosophie
geirrt habe, verweigerte aber über seine gegenwärtige
Existenz jede Auskunft» Es passirte übrigens das kleine
Malheur, dass der Philosoph seinen Namen unter Fortlassung
des „hM buchstabirte, als ich ihn bat, mir seine
Anwesenheit durch Nennung desselben zu bestätigen» In
der vierten Dimension scheint man es nicht so genau zu
nehmen. Ganz verfehlt war aber der Schluss unserer Sitzung.
Ich fragte Goethe, ob er in seiner Vorliebe für Italien sich
auch mit der modernen Literatur des Landes der Sehnsucht
in der vierten Dimension befasst habe, was er bejahte. Ich
bat ihn dann, mir den in den letzten Jahren verstorbenen
italienischen Dichter zu nennen, der mir persönlich nahegestanden
und dessen dramatische Werke ein nicht gewöhnliches
Aufsehen erregt hatten. Als darauf die Antwort
yDante* erfolgte, hatte ich genug. Ich hatte den in Livorno
verstorbenen Pietro Cossa gemeint. Der alte S. war etwas
bekniffen, was sich immer dadurch bemerklich machte, dass
er den Zeigefinger der linken Hand mit der Zunge befeuchtete
und sich damit den grauen Schnurrbart glättete.
Und nun die Conclusionen! Der kleine S. besass als
Clavierspieler eine immense Kraft in Fingern und Handgelenk.
Der neunjährige Junge brachte ein Fortissimo hervor, das
einen Reissenauer neidisch gemacht hätte. Die Kraft, den
Tisch durch den Druck der Hand zu heben und zu bewegen
, fehlte ihm also nicht. Ich hatte einmal während der
Sitzung den Vorschlag gemacht, wir sollten uns Alle erheben
und den Tisch nur mit den Fingerspitzen berühren. Man
fügte sich meinem Wunsche, der Tisch bewegte sich jedoch
nur unmerklich, was, die üebernatürlichkeit der Tischbewegung
einmal zugegeben, um so seltsamer war, als der
alte S. mich kurz vorher versichert hatte, dass, als er vor
einigen Tagen mit seinem Sohne nach Hause gekommen,
der Tisch, von unsichtbaren Geistern bewegt, vor Freude
auf zwei Beinen getanzt habe. Nach diesem Experiment
wurde ich in der Ansicht bestärkt, dass der Knabe den
Tisch durch den Druck der Hand hob und senkte, d ass er
hierin bereits eine grosse Uebung erlangt hatte und dem
nicht Eingeweihten bei der Schnelligkeit der veranlassten
Tischbewegung die Ursache derselben entging.
Die andere Frage war die: — Woher wusste das neunjährige
Kind, welches nicht einmal hinreichend lesen konnte,
etwas von Goethe, Dante und Sehopenhauer? Das Befremdende
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