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Kiesewetter: Fortdauernder Zusammenhang der Seele etc. 499
Tode hält, so ist er, weil ja der Verletzte einfaeh noch lebt,
im Irrthum; wohl aber mögen diese sogenannten „Integritätsgefühle
" vielleicht für einen fortdauernden Zusammenhang
der Seele mit vom Körper getrennten organischen
Stoffen zeugen, und der alte Oberstewart könnte ganz im
Rechte bezüglich seines Glaubens an eine magnetische
Verbindung zwischen dem Verletzten und dessen amputirtem
Beine sein.
Der Glaube an einen derartigen Zusammenhang der
Seele mit vom Körper getrennten organischen Stoffen durchzieht
die ganze Geschichte und bildet die Grundlage der
Praxis der schädigenden und heilenden Magie, der Sympathie,
des Liebeszaubers u. s. w. Besonders waren es beim
Liebeszauber Haare der geliebten Person, eigenes Blut
und andere Secretionen des Körpers, wodurch man Sinnesänderung
der geliebten Person bewirken wollte. Schon
Apulejus erzählt von einem derartigen Liebeszauber,*) den
die Zauberin Pamphila ausüben wollte, die zu diesem Behuf
ihrer Sclavin Fotis den Auftrag gab, ihr Haare des geliebten
Jünglings herbeizuschaffen. Die Sclavin aber, welche den
Jüngling selbst liebte, brachte ihr Haare von Bocksschläuchen.
Pamphila knüpft nun Knoten in die Haare, verschlingt sie
nach magischem Brauch in einander und wirft sie sammt
vielem Bauchwerk auf glühende Kohlen. Kaum knistern
die Haare auf der Gluth, als vermöge der unwiderstehlichen
Kraft der Magie die Gegenstände, von denen sie genommen
sind, Leben annehmen. Sie fühlen, hören und gehen, und
dem Geruch ihrer verbrannten Hülle folgend, kommt anstatt
des böotischen Jünglings mit grossem Gepolter und Gemecker
eine Heerde Ziegenböcke in die Zauberküche der Pamphila
gestürmt.
Schon dieses Zaubermärchen beweist das hohe Alter
des diesbezüglichen Glaubens. Auf altklassischen Ursprung
deutet auch folgender Liebeszauber, den ich abgekürzt einem
Manuskript aus der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts
entnehme: — Man macht aus Wachs, in welches
Haare der geliebten Person geknetet sind, eine männliche
oder weibliche Statuette, die auf den betreffenden Namen
mit Weihwasser getauft und mit einigen magischen
Charakteren bezeichnet wird. Diesem Wachsbild werden
drei Taubenfedern mittels drei verschiedenfarbiger Fäden mit
je drei Windungen und je drei Knoten um den Hals
geknüpft, worauf es von dem Magus mit einer nach dem
*) De asino aureo.
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