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Kiesewetter: Fortdauernder Zusammenhang der Seele etc. 503
der Notre-Damekirehe wohnender Apotheker La Pierre Blut
eines hingerichteten Verbrechers destillirte und dabei von
dessen im Laboratorium erscheinenden, entsetzlich brüllenden
Gespenst erschreckt worden sei. Es mag dabei vielleicht
die erregte Phantasie des Apothekers das Meiste gethan
haben, wenn auch eine unleugbare Analogie mit der alten
Nekromantie besteht, deren wichtigstes Materialisationsmittel
Menschenblut war.
Einen anscheinend gut beobachteten Fall des Zusammenhangs
abgetrennter Theiie mit dem Körper berichtet
van Heimoni (1577—1644) in seiner Schrift: — „De magnetica
vulnerum curatione" — § 23, wo es heisst: — „Ein Brüsseler
hatte im Krieg seine l\ase verloren und begab sich zum
Chirurg Tayliacozzo*) in Bologna, um sich die Nase ersetzen
zu lassen. Da er das Einschneiden in den eigenen Arm
fürchtete, miethete er dazu einen Lastträger, aus dessen
Arm die Nase für einen bestimmten Preis geschnitten wurde.
Ungefähr dreizehn Monate nach der Rückkehr des Brüsselers
in seine Heimath erkaltete plötzlich die künstliche Nase
und faulte nach wenigen Tagen ab. Die der Ursache
dieses unverhofften Falles Nachforschenden erfuhren, dass
zu derselben Zeit, wo die Nase erkaltete, der Lastträger
gestorben sei. Augenzeugen dieser Begebenheit leben noch
jetzt in Brüssel."
Trotz der anscheinend guten Beglaubigung **) bleibt jedoch
dem Zweifler immer noch der Einwand, dass die Ver-
heilung der Ränder der angesetzten Nase noch nicht
vollendet und diese in Folge eines durch Witterungseinflüsse
oder einen Excess im Trinken hervorgerufenen Entzündungs-
processes abgefallen sei, davon die bei Schlägermensuren
abgehauenen Nasenspitzen der Studenten bekanntlich so
viel Erfahrung haben. Der gleichzeitige Tod des Lastträgers
mag ein rein zufälliger gewesen sein.
*) Dass die Familie Tagliacozzo in Bologna seit dem 15. Jahrhundert
die Rhinoplastik in angegebener Weise ausübte, ist aus
SpiengeFs Geschichte der Mediän ersichtlich.
**) Einen ahnlichen Fall theilt Pf eher aus dem „Thesaurus rerum
admirandarum" mit: — „Ein Edelmann Hess sich aus dem Arme eines
seiner Knechte eine neue Nase machen; alles ging nach Wunsch; als
aber der Knecht drei Jahre später erkrankte, 'empfände der Edelmann,
wiewohl abwesend, eben zu solcher Zeit nicht geringe Schmerzen an
seiner Nasen, welche er nicht eroinnen kunnte, woher solche kommen
inüssten, bis der Knecht die Schuld der Natur bezahlete, da denn zugleich
die Nase des Edelmannes mit erstürbe, und ihrem ersten Herrn
im Tode Gesellschaft leistete, mit grossem Wehklagen des Edelmannes."
(S. G. Wolzendorfix — „Volksmedizin und Kurpfuscherei. Ein Beitrag
zur Geschichte derselben" in »We$termam*% iliustrirten deutschen
Monats-Heften" April 1890 S. 53.) — Der Sekr. d. Red.
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