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520 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 11. Heft. (November 1890.)
dessen, was die Wissenschaft über die Wege und
Weisen des Unendlichen erklärt. Aber die Philosophie
bringt ihre Aufschlüsse in einen höhere und concisere oder
gedrängtere Fassung. Sie führt die Seele tief in die
universalen und immer sich erweiternden Tendenzen der
materiellen Natur und nennt die Namen der Prineipien,
mit denen der Grosse Positive Geist in allen unzähligen
Abtheilungen seines Reiches in Uebereinstimmung wirkt.
Die wahre Philosophie erklärt, die erste oder anfängliche
Tendenz aller bestehenden Dinge sei Association oder
Gesellung; das will sagen, dass jedes Ding von einem
Princip der Verwandtschaft oder Affinität bewegt und
gelenkt wird; — dass es im ausgedehnten Universum nichts
giebt, was nicht seine Verwandtschaften hätte, — dass ein
Theilchen eine innewohnende Verwandtschaft für ein anderes
Theilchen hat, welche Verwandtschaft nicht eher verändert
wird, ak bis durch einen Process der Verfeinerung eine
neue Verwandtschaft entwickelt wird, wodurch jenes
Theilchen bewogen wird, neue und höhere Verhältnisse zu
suchen. Und dasselbe Gesetz, welches in dem Atom wirkt,
ist auch in den entferntesten Sphären thätig. Das Gebiet
seiner Wirkungen ist unbegrenzbar, grenzenlos und unendlich!
Gott lebt durch alle Dinge. Daher entfaltet dieses
Gesetz der Association seine erhabenen Wirkungen allenthalben
. Aber das nächste Princip, welches die Philosophie
in Uebereinstimmung mit seiner Wirkungsweise genannt
hat, ist Fortschritt: das heisst, jedes Ding wächst und
schreitet an Verfeinerung und Vervollkommnung wahrnehmbar
fort; auf alle Dinge wird vom Göttlichen Geiste fortschreitend
und bewegend eingewirkt, damit sich das Beine, Immerwährende
und Unendliche aus den materiellen und scheinbar
unreinen Verbindungen der Natur entfalten könne. Und
daher nennt die Philosophie— (ich meine die Harmonische
Philosophie) — diesen Entfaltungsprocess Entwickelung«,
Entwickelung ist die letzte und höchste Manifestation von
Materie und Geist. Sie ist die Blüthe aller Gesellung und
alles Fortschrittes; sie ist die grosse und göttliche Vollendung
aller irdischen und himmlischen Bewegungen; sie ist der
Schluss oder das Ultimatum alles höheren Bestrebens; und
daher kann man dieses Gesetz als die tiefste — die weiteste
— die höchste — die allmächtigste — und als die heiligste
Tendenz der Natur und der Gottheit betrachten. Diesen
Processen ist keine Grenze, diesen Wirkungen der Entwickelung
kein Endziel gesteckt; und doch kann man sagen,
dass durch eben dieses Gesetz jedes unterschiedliche System
der Schöpfung seine dauernde Krönung empfängt. — Die
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