http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1890/0535
Wittig: Bemerkun gen zum Zauberspiegel des Herrn Dessoir. 527
— „Hier wird also der eigene Geist als ein Fremder angerufen
." —
Auch Dessoir ist der Ansicht, dass der Spiegel nichts
anderes aussage als das, was wir hineinlegen, dass er aber
geheime Prozesse des unbewussten Innenlebens dem Tages*
bewusstsein mittheile.*) Aehnlich urtheile schon das mittelalterliche
„buch aller verbotenen kunst" (1455), sowie der
„Neupolierte Geschieht-, Kunst- und Sittenspiegel ausländischer
Völker" (1555). Ernst Theodor Amadeus Hoffmann
wird ebenfalls mit seinen drei Zauberspiegel-Geschichten:
— „Der goldene Topf", „Lebensansichten des Kater Murr"
und „Das öde Haus" citirt. Ob Hoffmann bloss erdichtet,
oder auf thatsächlichen Vorgängen gefusst hat, ist noch
unerforscht.
Am wichtigsten erscheinen Herrn Dessoir die Berichte
einer Dame, Miss A. Goodrich in London, welche ihre
Experimente der englischen „Society for Psychical Research"
zur Verfügung stellte. Aus ihnen gehe hauptsächlich hervor,
dass sie im Krystall (mit schwarzem Drap umhüllt) Dinge,
Schriften und Personen erblickte, welche sie entweder kurz
vorher flüchtig gesehen, aber wieder vergessen hatte, oder
auf die sie durch Ideen-Associationen geführt wurde. So
mystificire eigentlich unser zweites Ich oft unser erstes.
Nun — „es wäre ja viel bequemer, wenn sich bei den
neuesten Untersuchungen herausgestellt hätte, dass alle
Zauberspiegelphänomene auf das bisher stets missverstandene
(Doppel-)Walten der eigenen Seele zurückgingen; aber da
ein kleiner Rest sich nicht in die Rechnung fügen will, so
müssen wir als ehrliche Menschen das auch offen aussprechen
." — Er führt nun Fall Nr. 64 der genannten Miss
auf, wonach deren Freundin ihr mit einer Musikmappe
erschien, von welcher Kunstübung sie vorher nichts erfahren
hatte. Das könnte nun nach Dessoir entweder eine auftauchende
Erinnerung, oder eine telepathische Uebersendung
der Gedanken jener Freundin sein. Aber da dies gleichzeitige
Ereignisse sind, so könnte man ja noch weit einfacher
derartige Visionen aus der Ferne durch den Allzusammenhang
aller Ereignisse und Dinge mit unseren inneren Sinnen
und Wahrnehmungsvermögen erklären. Da die Draht-
electricität schon jetzt äusserlich Worte und Bilder von
Apparat zu Apparat überträgt, so muss eine solche TJeber-
*) Hierher gehört auch der vom Grafen v Schack erwähnte
„Erdapiegel" im Odenwald s. „Psych. Stud." Mai-Heft 1887 S. 231. -
Vergl. „Der naive Geisterglaube im japanischen Zauberspiegel" Juli-
Heft 1883 S. 335. — „Der Opal" Mai-Heft 1889 S. 254. -
Der Sekr. d. Red.
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