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Wittig: Bemerkungen zum Zauberspiegel des Herrn Dessoir. 529
„menschlichen Erfahrung aufs gröbste. Liesse sich freilich
„die spiritistische Theorie exakt beweisen, so wäre sie
„sicher die denkbar interessanteste Auflösung von allen,
„und ich muss gestehen, dass die Feststellung der Existenz
„von unkörperlichen intelligenten Wesen meines Erachtens
„die ganzen anderen Angelegenheiten unserer Zeit in
„Schatten stellen würde. Aber bis jetzt ist die Aussicht
„dazu eine wahrhaftig sehr geringe." — Wir geben ihm
nur das zu, was er Obigem vorausschickt, dass „wir es dabei
stets mit einer Region des eigenen Geistes zu thun haben",
weil dieser ja die innere sinnliche Wahrnehmungsbrille
aufhaben muss, wenn er vermeintliche Geisterwirkungen von
ausserhalb und jenseits auf sich konstatiren will. Unter
dieser eigenen, inneren Wahrnehmungsbrille verstanden wir
von je unsere sogenannte unbewusst wirkende „psychische
Kraft", welche auch gleichzeitig im Stande sein müsse, die
in ihr wahrgenommenen Bilder wieder nach Aussen zu
projiciren oder zu gestalten. Wenn schon ein mit mir
zugleich noch im Körper lebender Geist im Stande ist,
mir seine Gedanken und Ideen mittelbar durch Worte,
resp. seinen Organismus, ja selbst auch ohne diese, auf
weite Entfernungen zu übertragen, um wie viel mehr muss
nicht ein sogenannter reiner, d. h. entkörperter Geist im
Stande sein, seine Ideen unserem inneren gleich unkörperlichen
Idealitäts-Vermögen zu inspiriren. Und erst dieses
bewirkt durch die ganze körperlich-organische Stufenfolge
von Entwickelungen die allmähliche Verleiblichung solcher
Ideen, auch die sogenannten Materialisationen.
So denken wir uns eine Einwirkung der Geisterwelt
auf unsere Ideenwelt immerhin als möglich: — aber niemals
glauben wir, dass die abgeschiedene Geisterwelt direct aus
sich selbst hervor die organische Gestaltung unserer
Körperlichkeit ohne die eines sogenannten „Mediums" wiedergewinnen
könne. Das Körperliche einer sogenannten
„Materialisation" erscheint uns als wesentlich irdisch und
nicht als geisterweltlich oder gar himmlisch. Deshalb ist
aber auch ein exakter sinnlicher Beweis für die Existenz
und Wirksamkeit der Geisterwelt physikalisch durch unseren
Organismus hindurch nicht gut führbar, weil wir mit Kecht
das Sinnenfällige dabei unserem eigenen psycho-physischen
Organismus zuschreiben müssen. Man könnte die „psychische
Kraft" sehr wohl mit der von Vielen angenommenen
„magischen Kraft" identificiren, und unter die magischen
Kräfte des Menschen kann man auch die hypnotischen und
mediumistischen Kräftebegabungen rechnen, welche jedoch
immer nur einen Theii der Fähigkeiten des beseelten und
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