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556 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 12. Heft. (December 1890.)
modernen Spiritualismus herabgesehen haben, längst vorüber
sind, so ist dennoch jeder ernste Versuch, diese Lehren mit
den grossen Denkproblemen der Menschheit in Verbindung
zu bringen und die Wechselbeziehung zwischen beiden ins
rechte Licht zu setzen, auch heute noch freudig zu begrüssen.
Diese Freude wird Jedermann zu Tbeil werden, welcher
— von der Wahrheit der spiritualistischen Lehren erfüllt
— das angeführte Buch einer gründlichen Leetüre unterzieht.
Und in der That giebt es wenige Philosophen, welche, bei
aller Freiheit von Mysticismus, den Problemen des Spiritismus
so einsichtsvoll entgegenkommen, wie F. v. Feldegg.
Das Wesen der Welt in's menschliche Bewusstsein
verlegen, diesem sodann metaphysische Bedeutung beilegen
und das gesammte Weltphänomen aus diesem Bewusstsein
heraus entwickeln, — was besagt dies im Grunde genommen
anderes, als einen ernsten und originellen Versuch, dasjenige
speculativ zu erhärten, was der Spiritismus auf seine Weise
empirisch darzuthun sucht?
Von der Tiefe der bezüglichen Speculationen Feldegg's
wird uns schon eine kurze Probe aus dem Inhalt des Buches
Aufschluss geben. — Ueber die Ursprünglichkeit des Be-
wusstseins und die Ursprünglichkeit der Materie heisst es:
— „Die erstere folgt intuitiv aus der Unmöglichkeit der
Ableitung des Subjects (Bewusstseins) aus dem Objecto (der
Materie). Die zweite ist das Resultat der empirischen
Wissenschaft und deren Satzes von der Transmutation der
Erscheinungswelt und ihrer Entstehung aus der Materie."
(S. 230.) — Sein Ziel ist: — die höhere Einheit von
Bewusstsein und Materie, Subject und Object, im Gefühle
als der gemeinsamen Wurzel beider zur Erkenntniss zu
bringen. — „Im Geiühl allein treffen die ethische, künstlerische
und wissenschaftliche Contemplation der Welt zusammen:
denn vom Gefühle geht alle Wahrnehmung überhaupt aus."
(S. 102.) — „Wenn Zeit und Raum", — deren bloss
secundäre Bedeutung selbst für das menschliche Bewusstsein
der Verfasser scharf nachweist, — „nicht die unerlässlichen
Bedingungen aller Wahrnehmungen, sondern blosse Merkmale
der meisten derselben sind, so folgt, dass auch die Ordnung
der Dinge in Zeit und Raum nicht die einzige und allgemeine
, vielmehr eine solche auch ausserhalb Zeit und
Raum möglich ist." (S. 36). — Und weiterhin heisst es: —
„Deshalb auch ist jenes grosse Gebiet von zumeist noch
räthselhaften Vorfällen, wie es der heute wieder allgemein
auflebende sogenannte Geisterglaube umfasst, keineswegs
als Märchenland zu betrachten, wie es die im Dienste des
platten Rationalismus grossgezogene moderne „Wissenschaft"
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