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558 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 12. Heft. (December 1890.)
werden. Aber weshalb stürmen wir so unaufhaltsam
vorwärts? Es ist, als ob wir unter anderem, höheren
Willen als unserem eigenen ständen, und gerade so, wie
wenn ein Hypnotisirter nach der Hypnose einen sogenannten
posthypnotischen Befehl gegen seine Einsieht ausführt,
gerade so forschen auch wir nach dem Urgrund alles Seins
trotz der Ueberzeugung, den letzten Schleier nicht heben
zu können.
Auch ich habe geforscht und bin eben so wenig, wie
Andere, dahin gelangt, den Anfang und das Ende aller
Dinge zu begreifen. Dennoch glaube ich, ein Stücklein auf
dem Wege der Gotteserkenntniss vorwärts gekommen zu
sein, und das möchte ich jetzt Denen, die mich hören
wollen, verständlich machen.
Gleich von vornherein betone ich aber, dass ich mit
meiner Erörterung weder gegen die officiell anerkannte
Naturwissenschaft, noch gegen den nach officieller Anerkennung
ringenden empirischen Spiritualismus Front machen,
vielmehr dazu beitragen möchte, das Gute beider Richtungen
zu vereinigen.
Obwohl unsere heutige officiell anerkannte Naturwissenschaft
eine exacte sein will, so ist sie in ihren Schlüssen
doch keineswegs immer zuverlässig. Es giebt „Naturgesetze",
die einer wirklichen Begründung entbehren. Oberflächlich
betrachtet, ist z. B. die Lehre von den Molecülen, resp.
Atomen recht hübsch, und es passen sich diesem Systeme
alle darauf gebauten „Gesetze" so vorzüglich an, dass man
schon deshalb wenig geneigt ist, die Grundpfeiler des Baues
mit streng kritischem Blick zu prüfen. Und doch bedarf
es nur eines Hauches, um einen Grundpfeiler der Atomlehre
zu stürzen. Dieser Grundpfeiler aber heisst „Weltäther."
Was ist „Weltäther?" Man weiss es nicht. Den Erfindern
dieses famosen Wortes fehlte eben in ihrer Beweisrechnung
der Hauptfactor; man setzte dafür „x", vergass
aber, dieses „x" zu eliminiren und an seine Stelle etwas
Bestimmtes zu setzen.
Nach der „Lehre von den Atomen" haben wir in diesen
bekanntlich kleinste, nicht mehr theilbare*) Theilchen der
Materie vor uns, deren Lagerungen zu einander und deren
Schwingungen Zwischenräume bedingen, welche unausgefüllt
nach unseren Begriffen undenkbar sind; absolute „vaeui"
(leere Bäume) duldet die Physik eben nicnt. Man füllte sie
*) Wie sich diese theoretische Unteilbarkeit mit unseren Begriffen
vertragen soll, darüber ist man uns die Aufklärung schuldig
geblieben. — J. Sp.
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