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562 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 12. Heft. (December 1890.)
die Ueberlegung, dass mir mein Gepäck auf meinen Reisen
noch stets ordnungsmässig im Gepäckwagen gefolgt war,
brachten mich zunächst zu der Ueberzeugung, dass alles in
Ordnung sein werde.
Jedoch bald nach Abfahrt des Zuges überkam es mich
denn dpch mit aller Bestimmtheit, dass mein Koffer mit
den Scmafdecken — liegen geblieben sein müsste. In dieser
Gewissheit aber wurde ich merkwürdigerweise bald ganz
ruhig und legte mir allen Ernstes in Gedanken zurecht,
wie ich mich nun in dieser Nacht ohne meine Kameelhaar-
decken betten wollte.
Als ich dann endlich um ca. 1 Uhr auf dem Zittauer
Bahnhof ankam, übergab ich — stillschweigend — mit
lächelnder Miene meinen Gepäckschein einem Gepäckträger
, welcher mir denn auch bald darauf ganz bestürzt
meldete, dass mein Koffer nicht zu finden sei, unterwegs
liegen geblieben sein müsse und so wahrscheinlich erst am
Morgen eintreffen würde. Ich war ob der Richtigkeit
meiner „Ahnung" nicht im Mindesten erstaunt; auf der
Fahrt war sie mir eben zur Gewissheit geworden. In der
Nacht schlief ich ohne meine Decken etwas schlechter als
sonst, am Morgen aber bekam ich die wirklich in Bischofs-
werda liegen gebliebenen richtig wieder zugestellt. — Wie
lässt sich nun dieser kleine Vorfall auf durchaus natürliche
Weise erklären, ohne dabei vom sogenannten Zufall zu
reden? Ich „fühlte" die Trennung von meinen mit mir
durchaus „verwitterten", mir also sehr lieb gewordenen
Schlafdecken.
Als ich zu dieser Erkenntniss gelangt war, entstand
bei mir die Frage. — Was ist Trennungsgefühl? — Dabei
kam ich auf eine Stelle in Prof. Dr. Gustav Jäger's „Entdeckung
der Seele", S. 334—335, II. Theil, welche ich hier
zunächst wiedergebe: — „Ich kann dieses Kapitel nicht
schliessen, ohne noch einige Worte der Paracelsischen
Therapie zu widmen, die man als 'sympathisch-magnetische
Heilkunde' bezeichnet. Ich thue es besonders deshalb,
weil wir hier wieder auf das Wort 'magnetisch' und
'Magnet1 stossen und dabei auch vom Menschen stammende
Stoffe in eigenthümlicher Weise verwendet werden; allerdings
haben wir es hier mit einer ganz anderen Erscheinung, als
mit dem im bisherigen Besprochenen zu thun.
„Das Paracelsische Verfahren hat seinen Namen
'magnetisch' davon, dass Paracelsus sich des sogenannten
'magnes microcosmi', auch 'Mumie' genannt, bediente. Als
solcher Magnet wurden hauptsächlich das Blut oder natürliche
Abfälle des Körpers, Schweiss, Eiter, Haare,
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