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576 Psychische Studien. XVIL Jahrg. 12. Heft. (December 1890.)
Werk vernichtet hätte, die Kulturgeschichte hätte einen
ganz anderen Verlauf genommen, wir stünden wahrscheinlich
schon seit 300 Jahren mit den Chinesen in einem engen
freundlichen Verkehr. Ricci hatte ja nichts gewollt, als das
Christenthum mit Ahnenkultus und confucianischen Lehren
versöhnen. Aber die bigotte Mitwelt konnte in diesen
Lehren nicht bloss weltliche Sittenvorschriften und Staatseinrichtungen
erkennen, sie erklärte sie als die verwerflichste
Ketzerei. — Was in Japan der Ahnenkultus und der
Shintoismus für den gemeinen Mann, das ist der Confu-
cianismus für den Gebildeten. Ersterer nimmt Götter zu
Hilfe, er kommt ohne das Uebersinnliche nicht aus, letzterer
begnügt sich mit den Morallehren eines der grössten Be- -
wunderung werthen praktischen Philosophen. Die Lehren
des Confucius mit dem grundlegenden Gesetz der Pietät
sind den Japanern in Fleisch und Blut übergegangen, und
nicht wenig hat dazu um das Jahr 1600 Iyeyas, der grösste
Shogun, beigetragen, der sich den chinesischen Weisen bei
Abfassung seiner Gesetze zum Muster wählte. Pietät gegen
die Eltern ist in Japan oberste Pflicht. Mit unzerreissbaren
Banden wird auf diese Weise jedes Individuum an die
Vergangenheit gefesselt; alles führt zurück, und tief, unergründlich
tief wurzeln die jetzigen Sittenzustände in der
Geschichte. Die Eltern sind nicht wie bei uns für die
Kinder da, sondern die Kinder für die Eltern. . . Ahnenkultus
und Confucianismus haben im Laufe der Geschichte
ihre unbeugsame Kraft bewährt. Ich glaube, dass sie sich
diese Kraft auch in der Zukunft bewahren werden." —
Ii) Der Artikel: — „Geheimbünde der Küstenbewohner
Nordamerikas". Von J. Adrian Jaeöbsen (Schluss) in „Das
Ausland. Wochenschrift für Erd- und Völkerkunde", herausgegeben
von Karl von den Steinen, 1890 Nr. 15 — giebt
höchst interessante Aufschlüsse über den Glauben und die
Sitten der Nordwest-Indianer, besonders des Bella-Coola
genannten Stammes, woraus ersichtlich wird, dass der
moderne Spiritismus mit seinen Lehren nicht bloss in den
früheren, sondern den noch gegenwärtig lebenden Ur-
bewohnern Nordamerikas seine festen Wurzeln hat. Der
Medicinmann oder Pak-halla, auch Pak-krvatta, ist der
Hauptvertreter dieses Geister-Glaubens. „Er soll bei
Krankheitsfällen die bösen Geister, welche nach indianischer
Auffassung die Urheber des Uebels sind, aus dem Körper
vertreiben. Eine ähnliche Einrichtung wie bei den meisten
sibirischen Völkern, dass der Ober-Schamane die Seele
zum Himmel befördert, scheint bei den Küstenbewohnern
nicht vorzukommen. Die Zauberärzte der Bella-Coola
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