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20 Payobische Studien. XVIII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1891.)
erhob.1) Eine ähnliche Bedeutung wie die züngelnde Flamme
und der Phallus hatte die Schlange.2)
Der Genius ist nicht nur der zeugerische, schaffende
Geist, sondern auch das Ahnungsvolle der Menschenseele,
das transscendentale Subject; er bildet die Träume und
vermittelt den Verkehr der Menschen mit den Göttern.8)
Die Genien der Todten greifen durch Frodigien und Erscheinungen
in die sichtbare Welt hinein.
Ist der Genius das Unsterbliche im Menschen, welches
vor der Geburt schon besteht, so bezeichnete man mit dem
Namen „Manes Dii" oder „Manes" allein nur die „Seelen
Verstorbener."
Die Manen sind solche Geister, welche, nachdem sie
einen Körper verlassen haben, noch in keinen anderen
übergegangen sind.4) Weil sie für den einzelnen Todten
immer in der Mehrzahl genannt werden, so scheint es, dass
auch die Italiker die höhere geistige Potenz von der Seele
des elementaren Lebens unterschieden; letztere trennt sich
von den irdischen Ueberresten niemals vollständig, und bleibt
als unzerstörbar im Grabe zurück.6)
Wie die Sonne scheinbar am Ende des Tages unter
der Erde fährt, so dachte man sich die „Manen" wenigstens
eine Zeitlang in der tiefen Erde wohnend. Daher die
Unterscheidung der „Manen" in „superi" (der oberen Welt)
und „inferi" (der unteren Welt). Bei der Städtegründung
wurde nach tuskischer Vorschrift im Mittelpunkt des
augurirten Areals zuerst ihr Wohnsitz, der „mundus"
gegraben, eine Grube in Form des Himmelsgewölbes, aber
umgekehrt, daher sich immer mehr in der Tiefe verengernd,
das Vorbild von ßante's „Hölle". Die Linien, welche zur
Bezeichnung der Hauptwege beschrieben wurden, entsprachen
der Eintheilung des Himmels mit dem Augurstabe und
kreuzten sich an diesem Punkte X so, dass der „mundus"
in entgegengesetzter Richtung dem tiefsten Punkte des
Himmelsgewölbes, dem scheinbar tiefsten Punkte der Welt
entsprach. Nach den Etruskern stellen die verhüllten Mächte
den tiefsten Punkt der Welt dar, und der „mundus" als
Aufenthalt der Seelen war ein Mittelpunkt, von welchem
i) Dio Cass. 56, 42,; 74, 5 etc.
*j Fellns „N. A." VlI, 1, 2. — Val Max. I, 2, 2. — Aar. YkU
49. — Suet „Oct.u 94 etc.
8) Martian Cap. „de nupr." 1. c, II, 9. — Apulejus „De deo Soor.
ed. Altemnirg p. 109.
*) Serv ad Jen. III, 63.
ftj Serv. 1. c. — Vergi. die Seelenlehre der Kabbala in d*r
„Spfcinx" IV, 22, p. 272 ff.
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