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Wittig: Eine Werwolf-, Kobold- und Hexen-Sage etc. 31
III. Abtheilung.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergL
Eine Werwolf-, Kobold- und Hexen-Sage aus Nero's Zeit,
Referirt von Gr. C. WitUy.
Im Jahre 66 n. Chr. tödtete sich Gajus Petronius,
„Arbiter elegantiae", d. h. Schiedsrichter in Geschmackssachen
" am kaiserlichen Hofe, durch langsames Oeffnen
seiner Adern, wie der greise Seneca, weil er bei Nero verdächtigt
worden war. Der Sterbende schrieb einen Bericht
über Nero's Ausschweifungen und Schandthaten und sandte
ihn versiegelt an Nero. Sein Leben war das eines leichtfertigen
Roue gewesen. Ihm schreibt man noch erhaltene
Bruchstücke aus einem altrömischen Roman zu, worin ein
Encolpius seine Abenteuer erzählt, darunter auch die „Geschichte
der Wittwe von Ephesus" und „des von einem
reichen Freigelassenen Trimalchio gegebenen Gastmahls".
Letzteres Fragment wurde erst Mitte des 17. Jahrhunderts
in Trau in JJalmatien aufgefunden und 1664 in Padua
gedruckt. Das Gastmahl spielt wahrscheinlich in Süditalien
zu Cumae am Golfe von Neapel. Ueber die Echtheit dieser
Bruchstücke herrscht kein Zweifel. Sie sind voll Geist,
Witz, Eleganz der Form, aber auch von zügelloser Frechheit
, wie uns L. Friedlaender durch Auszüge in der „Deutschen
Rundschau*' Nr. 18 v. 15. Juni 1890 nachweist. Die Reden
Trimalchio's und seiner Gastfreunde sind von dramatischer
Lebhaftigkeit. Auch die beiden Sagen, die wir im Folgenden
aus dem Schlüsse des Gastmahls mittheilen, lassen schon
errathen, wie viel Culturhistorisches uns in den fehlenden
Theilen verloren gegangen sein niuss.*) So wird der Erzähler
z. B. von seinem Tischnachbar belehrt: — „Der Eine (der
Mitgäste), der heute seine 800,000 (= 174,000 Mark) gut
ist, hat mit nichts angefangen, noch vor Kurzem Holzbündei
auf dem Rücken getragen. Aber — wie die Leute sagen
— ich weiss nichts Sicheres, sondern habe es nur gehört,
*) Selbstverständlich ist uns das Hauptsächlichste des Geisterglaubens
der Römer und Griechen in deren religiösen Culten und
ueberlieferungen erhalten. Wir bringen in diesem Jahrgange 1891
eine Eeihe von drei höcbst interessanten Aufsätzen über den alt-
italiseben Dämonenglaubeu aus der Feder der Frau Krepelka unter
dem Titel: — „italische Dämonologie und Mystik" — in der I. Abtheilung
dieses Heftes beginnend. — Der Sekr. d. Red.
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