http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1891/0046
40 Psychische Studien. XVIII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1891.)
S. 484 ff., vgl. September-Heft 1877 S. 427 ff.). Hierbei gilt
es, nicht ä priori abzuurtheilen, was möglich und unmöglich
sein müsse, sondern einfach mit Medien der Neuzeit sorgfältig
zu experimentiren, denn „Probiren geht bekanntlich
über Studiren." Man sehe doch z. B., was Miss Annie Eva
Fay in allerneuester Zeit über alle bisherigen Kunststücke
der Prestidigitatiou hinaus bei hellem Lichte vor Aller
Augen leistet! Auch wir sind der Ansicht, dass sich
vielleicht Manches etwas anders gestalten dürfte, als
es den ersten Anschein in der Erzählung hat; aber wir
werden doch zum physiologischen und psychologischen Gesetz
derartiger „Erscheinungen" hindurchdringen und das Meiste
in ihnen alsdann ebenso wenig wunderbar finden, als wir
die tollsten Verwandlungen in Phantasie und Traum für
unmöglich erachten; denn auch dort haben wir es, wie bei
diesen, mit Ausnahmezuständen (wie Hypnose, larvirtem
Somnambulismus und Trance) zu thun. Dergleichen Phänomene
sind nicht nach den Gesetzen des tagwachen Sinnenlebens
zu beurtheilen, weil sie sich allen sogenannten
exacten Beobachtungsbedingungen von Raum und Zeit
durch ihr stetes Entweichen in ein den Sinnen völlig unerreichbares
Gebiet entziehen. Es ist, als ob wir durch
die noch so feinen Siebe der Sinne Wasser oder Quecksilber
schöpfen wollten! Selbst unsere exactesten Psysiker
vermögen ja ihre Moleküle und Atome auch nicht aufzufangen
und als solche festzuhalten.
Kurze Notizen.
a) Als das älteste Vorkommen des Bauchredens nimmt
Ernst Schulz in seiner „Kunst des Bauchredens" folgende
scheinbar geheimnissvolle Vorgänge aus dem Alterthum an.
Die goldene Jungfrau, deren entzückende Stimme durch den
delphischen Tempel ertönte, der Stein aus dem Flusse
Paktolus, dessen Trompetentöne die Räuber von den durch
ihn bewachten Schätzen vertrieben, der sprechende Kopf,
der seine Orakel zu Lesbos ertheilte, und die klingende
Bildsäule des Memnon, die mit ihren Tönen die aufgehende
Sonne begrüsste, waren gewiss sämmtlich Täuschungen, die
auf wissenschaftlicher Kenntniss geheimer Künste, fleissiger
Beobachtung der Naturerscheinungen, oder auf der Kunst
des Bauebredens beruhten. (»Schorens Familienblatt" Nr. 32,
1890, S. 512.)
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1891/0046