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Kurze Notizen
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b) Hypnotisch durch den Schein des electrischen
Lichtes wurde vor einigen Tagen ein dreissigjähriger
Mann, welcher in ein öffentliches Cafe zu Alessandria in
Oberitalien eingetreten war. Derselbe setzte sich dort an
einen Tisch, und während ihm der Kellner das gewünschte
Getränk überbrachte, fiel sein Blick zufällig mitten in das
Licht einer electrischen Bogenlampe, welches derart auf ihn
einwirkte, dass er wie vom Starrkrampf überfallen regungslos
sitzen blieb und wie geistesabwesend vor sich hinblickte.
Alle Bemühungen der herbeigeeilten Gäste, den Mann aus
seinem sonderbaren Zustand herauszubringen, blieben erfolglos
; man rief deshalb einen Arzt herbei, welcher einen
hypnotischen Zustand an dem Fremden konstatirte, der nur
durch das electrisuhe Licht hervorgerufen Sein konnte. In
Folge dessen wurden die Gasflammen des Locals angezündet
und das electrische Licht abgestellt, worauf es dem Arzt
gelang, den Hypnotisirten nach Verlauf einer Viertelstunde
aus seinem Zustande wieder zu erwecken. (Aus Frankfurt
a. M., pr. L. 20. October 1890.)
c) Ueber die Zigeuner lesen wir von Prof. Guido Cora
aus Turin in Nr. 36, 1890 des „Ausland" (Stuttgart, Cotta)
S. 710—711 noch*) Folgendes: — „Vorzüglich aber sind die
Zigeunerinnen bekannt durch ihre Eigenschaft, als Wahrsagerinnen
die Zukunft zu enthüllen; und sogar unter den
Zigeunern selbst herrscht der Glaube, dass nur Weiber
eines gewissen Alters in die Zukunft zu blicken vermögen.
Dies erklärt sich durch einen besonderen Umstand. In
dieser Kunst, die in Europa uralt ist und von den Zigeunern
bloss neu belebt wurde, giebt es zunächst eine konventionelle
Seite; sie besteht in der Prüfung der Gesammtheit wie der
Einzelheiten der vier grossen Linien im Inneren der ausgebreiteten
Hand, welche dem Herzen, dem Gehirn, dem
Magen und den grossen Nervencentren entsprechen sollen.
Daneben giebt es aber noch eine anschauende (intuitive)
oder errathende (divinatorische) Seite in dem tiefen und
lebhaften Blick, womit die in einem Leben ^on Leidenschaften
und Nervenerregungen aufgewachsene Zigeunerin
eine Seele durch das Antlitz hindurch zu ergründen weiss.
Die Zigeunerin vertraut dann auch ihrer Diagnose, ihrer
Weissagung, ihrem Bokht. (Dieses Wort, welches die englischen
Gipsies[ZigeunerJ für „Vorbedeutung" anwenden,
ist persisch und stammt sicherlich vom Sanskrit „Bagga"
[Geschick]; diese Gipsies haben ferner das Wort „dukkering"
*) Siehe die vorhergehende Kurze Notiz sub /) im December-
Heft 1890 S. 580flf. — Der öekr. d. Red,
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