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90 Psychische Studien. XVIII. Jahrg. 3. Heft. (Februar 1891.)
Nanele, „se grabt und grabt im Eck, wos Kind gfunde
ischt, dass s' em sein Grüble jetz mache will, wo 's z'spät
ischt." — „Manche sage au, se trag de Kopf in der Hand",
sagte die Mutter, „weil ihr vo' rechtswego ,Kopf ab'g'hört
häb, 's sei aber net derzue komme." — „Hu!" machte
Emilie und sah sich ängstlich um, — es gab da neben dem
grossen Ofen auch so eine dunkle Ecke, wo's nicht ganz
geheuer schien! „Aber gelt", fügte sie sich ermannend
hinzu, „mer gehe emol in des verfluchte Häusle?" — „Mer
sollt e stilles Gebet verrichte für d' arme Seel, wemmer in
d' Nähe kommt", sagte die Mutter und faltete schon die
Hände. — „Ha", rief Beth, „für so e Muschter? Dia lasst
mer ruhig in der Holl!" — Die alte Bäuerin schüttelte
ernsthaft den Kopf: — „Mer bette alle Tag, ,führe uns
nicht in Versuchung'." —*)
„I weiss au eppes vom Geistweisgehn", unterbrach
sie Emilie, „mei Bruder hat au g sagt, dia G'sehicht wär neö
u'niöglich. In unsrer Familie do ischt en Ehepaar, des hat
keine Kinder net g'habt; d' Frau hat aber do' gern ei's
welle, so hent se ei's a'g'nomme für eige, e klei's SläJele
mit drei Jahr. *s ischt e Waisele g'wese, recht e liebs schön'»
Kind, und d' Frau hat 's arg gern g'habt. E Jahr ischt
vergange, na schenkt der lieb Herrgott ihr en eigenes Bühle,
's ischt e grosse Freud' g'wese, aber bald send dere Frau
so Gedanke ufg'stiege: jetzt, wemmer des g'wusst hätt, no
hätt' mer 's Luisle nemmeh braucht Emal bei der Nacht
hat se net schlafe kenne; s' ischt daglege mit em Büblc im
Arm, des schlaft so sanft, und ime Bettle im Eck hört se
's Luisle athme. Na send wieder dia Gedanke komme: —
Jetzt, wemmer 's Luisle net hätt, na kennt mei Bübie in deme
nette Bettle schlafe, wann er eppes grösser ischt. Na, wie
se 's Bettle recht a'guckt, sieht se: — 's staht wer danebe,
wia e weisser Schatte, 's Herz hat ihr a'g'fange ze klopfen,
aber se hat hinsehe müesse, wia d' G'schalt sich über des
Mädle beugt hat. Nachher hat se sich ufg'reckt, na sieht
d' Frau in e weiss Absicht — so recht bittweis' und
bekümmert hat se herg'schaut, und de Händ' hat se g'runge.
J)' Frau hat 's glei g'schpürt: 's ischt dem Luisle sei Mutter
g'wese. Se hat ehre Ma' ufwecke welle, aber d' Stimm ischt
or als vergange g'wese. Na hat se in ihrem Herze des
G'lübd vor Gott abg'legt, dass se 's Luisle nemme verlasse
*) Diese erste Geschichte können wir mit den meisten ähnlichen
als einen sog. Gewissensspuk und Nachspuk nicht bloss in der
Seele des Uebelthäters und Hünders, sondern auch im Gemlithe aller
Mitempfindenden erklären. Derßeferent.
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