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Wittig: Miss Annie Eva Fay in Leipzig. H3
Stiefel erfasst und ihm denselben halb ausgezogen. Mich
begannen Bünde an den Knieen und auf dem Rücken zu
berühren, und als ich ganz eigen hinblicken wollte, um
Miss Fai/s Umrisse in der Mitte unseres Kreises zu erkennen
, da zog es mir plötzlich mit einem ganz
kunstgerechten Grifte die goldene Brille vollständig
vom Gesichte und warf sie auf die mir entgegengesetzte
Seite des Kreises hörbar hinter Miss Fay nieder. Damit
hörte meine eigene scharfe Beobachtung durch das Gesicht
auf, und ich musste mich mit dem Gehör und den verlaut-
barten Andeutungen der Uebrigen begnügen. Aber die
Phänomene mit der hoch im Zimmer umherfliegenden und
klimpernden Guitarre wiederholten sich, es kam jedoch
nichts Neues mehr zum Forschein, weshalb die ermüdete
Miss Fay um Schluss der Seance ersuchte. Die ganze
Gesellschaft war dies zufrieden, es wurde Licht entzündet
und meine Brille unversehrt an der bezeichneten Stelle
liegend gefunden. Der zweite Theil hatte nach Allem die
Versammelten weniger befriedigt, vielleicht weil die Erwartungen
der Alles überfliegenden eigenen Phantasie nach
dem vorher Erlebten schon zu hochgespannte waren. Wir
wissen jetzt aus der Kopenhagener Seance („Psych.
Stud." Februar-Heft 1891), dass Miss Fay zuweilen auch
Materialisationen gelingen würden, wenn von vornherein
vollkommenes Vertrauen zwischen Oirkel und Medium
herrschte. Immerhin waren wir der Dame noch zu fremd,
und sie konnte stets eine ihr irgendwie gelegte Falle ver-
muthen. Dies macht ein sog. Medium in sich selbst unsicher
und stört die Effekte. Gleichwohl hatte sie sich in unserem
Kreise nicht über die geringste Ausschreitung gegen sie zu
beklagen, und wäre sie nicht zu sichtlich schon bei Beginn
der Dunkei-Seance erschöpft gewesen, so hätten wir vielleicht
eine Materialisation oder wenigstens noch etwas Ausser-
gewöhnliches und Unvermuthetes erhalten. Ich wenigstens
war mit den von mir gemachten Erfahrungen vollauf zufrieden
, und habe diese überaus günstige Gelegenheit, das
Alles in unmittelbarster Nähe der Miss Fay so genau
prüfen zu können, lediglich der überaus grossen Zuvorkommenheit
des Hausherrn und der rücksichtsvollen Reserve
der übrigen Cirkelsitzer zu verdanken, welche mich keineswegs
von dem mir freiwillig angebotenen Beobachtungsposten
wegzudrängen und so den Zusammenhang meiner Beobachtungen
zu unterbrechen gewillt waren.
Nach meiner freundlichen und dankbaren Verabschiedung
von ihr und dem Hausherrn, vor der ich ihr noch die
Krage nach ihren Erfolgen in Moskau und St. Petersburg
Psychische Studien. Marz 1891. $
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