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Brandes: Pariser Geplauder über denkwürdige Heilkräfte. 135
halb stumpfsinnigen Vater herbei und bat ihn, das Blut zu
besprechen. Der gebückte Alte sah mich aus seinen trief-
rothen Augen an, dann nahm er zwischen seine schwielige
erdige Hand den blutenden Finger, blies darauf und
murmelte etwas, dessen Refrain ich, da der Alte nach Art
der Tauben lauter, als er wobl beabsichtigte, sprach, verstehen
konnte. Es hiess: — „Gottes Güte, Gottes Wille
gebiete Dir Stille!" — Hierauf folgte die Anrufung der Dreieinigkeit
. Nach dem ersten Anblasen floss das Blut sparsamer
; nach dem dritten Male, also etwa nach zwanzig
Secunden, stockte es ganz. „Unsinn!" höre ich rufen, „das
Blut würde auch wahrscheinlich ohne diesen Zauber zu
fliessen aufgehört haben." Kann ja sein, verehrtester Leser.
Ich konstatire nur die Thatsache. Und dann habe ich mich
im Leben noch verschiedene Male geschnitten, nicht bloss
moralisch, sondern in die Finger. Ich dachte, vielleicht
macht es der Windhauch. Ich habe geblasen, und Andere
haben geblasen. Es half nichts. Wir waren eben nicht der
alte Buchholz und mit der ihm innewohnenden magnetischen
Kraft begabt. Diese magnetische Kraft wird wohl heute
Niemand mehr leugnen wollen, nachdem sie, gerade in den
letzten Tagen wieder neue Errungenschaften zu verzeichnen
hat.*) Docteur Luijs von der Charite, dessen Entdeckungen
ja allerdings immer sehr scharf discutirt werden, hat in
dieser Beziehung sehr seltsame Experimente gemacht. Er
ist folgendermaassen zu denselben gekommen. Wenn man
den Arm eines im hypnotischen Schlaf verfallenen Sujets
hochhebt und sich darauf mit einem Magnet nähert, so
hebt sich auch der andere Arm und nimmt dieselbe Lage
ein. Dieses Factum bezeichnet man mit dem Namen
„Transfert". Es bildet die Grundlage der nachstehenden
Experimente. Es erhellt daraus, dass man mit Hilfe eines
Magneten in einem eingeschläferten Individuum aus einer
Seite in die andere einen pathologischen Zustand überführen
kann. Denn wenn man links die Geste rechts reproduciren
kann, so kann man auch eine Contractur oder eine Lähmung
hervorbringen. Charcol, Dumontpalüer, Babinski haben in
dieser Beziehung zweifellose Versuche gemacht.
Hieraus hat man dann geschlossen, dass man die
Krankheit eines hypnotischen Individuums in ein anderes
*) Wir verweisen hierüber auf Hoof ?tUebersinnliche Erscheinungen
" in „Psych. Stud." November-Heft 1890 S. Ii). —
Ferner noch auf Dr. med. William Baker Fahnestock*% Schrift: —
„Statuvolence oder der gewollte Zustand und sein Nutzen
als Heilmittel u» s. w." (Leipzig, Oswald Mutze1884.) —
Der Sekr. d. Red.
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