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166 Psychische Studien. XVIII. Jahrg. 4. Heft. (April 1891.)
den magnetischen Einfluss der Vorübergehenden bezeichnete.
Zu Hause angekommen, wurde er von Delenze geweckt.1)
Bei der Verwandtschaft beider Zustände lässt sich
vermuthen, dass die Nachtwandler nicht darauf beschränkt
sind, ihre normalen Leistungen auch schlafend verrichten
zu können, sondern dass sie auch die Phänomene der
transscendentalen Psychologie zeigen, z. B. die mediei-
nischen Fähigkeiten der Somnambulen. Puysegur führt
einen Nachtwandler an, der seiner Tagesbeschäftigung mit
grösserem Eifer oblag, als im Wachen. So oft man ihn
beim Namen nannte, konnte man sich mit ihm in Rapport
setzen und Gespräche mit ihm führen. Bei einer solchen
Gelegenheit erzählte der Nachtwandler, dass er die
Krankheit des Kindes seiner Herrin erkannt habe, dass
aber das Kind starb, weil die Medikamente, die er anempfohlen
, nicht angewendet wurden. Er selbst habe als er
krank war, eine Pflanze als ihm zuträglich erkannt, die
auf einem Berge, zwei Stunden entfernt, zu finden wäre;
davon habe er sich einen Trank bereitet, der eine reichliche
Gallenentleerung zur Folge hatte, die er sich iu Wachen
nicht erklären konnte.2) — Aber dieser von Puysegur
berichtete Fall steht fast vereinzelt. Man hat die me "Heinischen
Fähigkeiten der Nachtwandler nicht vermuthet und darum
nicht constatirt. Allein schon der Umstand, dass Nachtwandler
nie von selbst erwachen, sondern rechtzeitig sich
ins Bett zurückziehen, lässt vermuthen, dass ihnen in Bezug
auf ihren Zustand die medicinische Prognose gegeben ist.
Auch die Frage ist noch offen, ob die Nachtwandler
die höheren Fähigkeiten der magnetischen Somnambulen
erreichen können. Der Arzt Heinrich ab Heer kannte einen
Dichter, der bis zu seinem 45. Lebensjahre Nachtwandler
war; dafür hatte er von nun an prophetische Träume,
namentlich in Bezug auf Todesfälle und Ereignisse der
nächsten Tage, die er auf die Stunde voraussagte.") Hier
wurde das Nachtwandeln durch Somnambulismus mit
Fernsehen abgelöst. Wenn aber die Nachtwandler, statt
sich selbst überlassen zu sein, geleitet wären, wie der
magnetische Somnambule durch den Magnetiseur, so lässt
sich vermuthen, dass auch sie zum Fernsehen gebracht werden
könnten Es ist dies um so wahrscheinlicher, als das
„Hellsehen" — d. h. das Sehen des räumlich Gegenwärtigen
ohne Vermittelung der Augen — ihnen nicht abgesprochen
*) Deleuze: — „Histoire critique du magnetisme animal." I. 237.
2) Puyseguri — „Recherehes.*4 p, 78—82.
8) Per lg: — „Die mystischen Erscheinungen." I. 145.
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