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Wittig: Heilung durch Geistes- und Seelenkraft. 173
hatte, sagt in seiner Schrift 'über die Macht des Gemüths',
sowie in einem Brief an Hufeland, dass er fortwährend durch
seine Willenskraft die Gebrechen seines Körpers korrigirte.
Heftigen Husten, Anfälle von Gicht, wusste er zu unterdrücken
. Er konzentrirte dafür seine ganze Aufmerksamkeit
auf etwas anderes, er dachte z. B. an Cicero, oder schluckte
fortwährend seinen Speichel hinunter, bis er das Uebel los
war, — Nun komme ich zur Einbildung. . . Es ist
wahr, dass die Anzahl von Fällen, in welchen die Einbildung
nachtheilig auf den Körper wirkte, bis jetzt am
grössten ist. Jeder junge Arzt weiss, wie das Studium von
verschiedenen Krankheiten den Körper angreift. Wie man
sich einbilden kann, alle Qualen, die man studirt, selbst zu
fühlen, und wie die Einbildung uns wirklich krank machen
kann. Besonders das Studium der Herzkrankheiten kann
sehr deutlich Abweichungen im Herzschlag zuwege
bringen." ♦. Der Verf. schaltet hier interessante Fälle von
Patienten ein, welche durch Einbildung krank waren, so
z. B. die eines französischen Offiziers, der in der Schlacht
von Wagram beide Beine abgeschossen glaubte und bis an
den Morgen regungslos liegen blieb. Die Kugel war unter
seinen Füssen durchgegangen und hatte ein Loch in die
Erde gebohrt, in das der Offizier einen Fuss tief hinein-
gesunken war und in ihm die Idee erzeugt hatte. — Aber
man könne auch aus eingebildeten Wunden bluten
wie z. B. die Stigmatisirte Louise Lateau\ vergl. „Psych.
Stud." Mai 1884 S. 248. „Ist die Thatsache dass man vielen
Menschen eine plötzliche Diarrhöe durch Pillen von Brotkrume
beibringen kann, wenn man dem Betreffenden
einredet [vgl. hypnotische Suggestion! ßefer.], dass dies
ein starkes Purgativ ist, nicht gleicher Art? . . . Durand
de Gros machte einen Versuch damit, in einem grossen
Krankensaal mit hundert Patienten. Er gab allen eine
gute Dosis gewöhnliches Zuckerwasser, in gleicher
Weise wie Medicin; darauf Hess er plötzlich mit grossem
Schreck bekannt machen, dass man sich in der Apotheke
geirrt, und dass alle ein Brechmittel eingenommen
hätten. Nicht weniger als achtzig von den hundert Kranken
begannen zu brechen, und den übrigen wurde allen mehr
oder weniger übel." (Hier hätte Verf auf Prof. Dr. Jäger's
Anthropinpillei**hinweisen können; vergl. „Psych. Stud."
August 1885 S. 384 sub f) und g\ — Ref.) — „Diese
Macht, welche die Gedanken über unseren körperlichen
Zustand haben, nennt man Ideoplastie, Gestaltungskraft
der Ideen. Wer den Begriff der Ideoplastie kennt,
braucht den Kopf nicht zu schütteln oder erstaunt zu sein
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