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Wittig: Heilung durch Seelen- und Geisteskraft. 177
bildeten Welt voranging. Sie ist nun etwas hochmüthig
geworden und spottet über die hypnotischen Versuche, nennt
sie französischen Wind und Eenommage und nimmt keine
Notiz davon. . . Ein junger Berliner Mediciner Dr. Moll,
welcher die suggestive Therapie zu Nancy studirt hatte,
zeigte den Muth, in Berlin die psychische Heilmethode zu
vertheidigen. Es ist ihm schlecht ergangen. Zwei Professoren
von grossem Ruf haben ihn mit Majestät zurückgewiesen,
aber nicht in einer Weise, welche ihrem Namen Ehre macht"
— Nun, man kennt diese Herren bereits aus ihrer früheren
Stellungnahme gegen den Mediumismus eines Sladt\
„Aber die Furcht der Meisten vor der Hypnose ist
nichts anderes, wie ein gewisses Gruseln. Man findet es
grässlich, sich total unter den Einfluss eines Anderen zu
stellen. Ich habe früher schon gesagt, dass von einem
mystischen Einfluss von Mensch auf Mensch, von einer geheimnissvollen
Zauberkraft einstweilen keine Rede ist. Die
psychische Therapie rechnet damit nicht. Der Einfluss,
welchem sich der Patient ergiebt, ist wie der eines guten
Freundes, mit dem man sich eine Zeitlang unterhält, — nur
etwas stärker. Wenn es mir durch meine Darstellung gelingt
, Sie, meine lieben Leser, anders denken zu lehren, so
habe ich Sie auch suggerirt. Bevor ein Patient sich hypno-
tisiren lässt, sagt er, was ihm fehlt, welche Suggestion er
wrünscht, der Arzt richtet sich danach — wenn der Patient
fortgeht, ist er ebenso frei von allem Einfluss, wie vorhin.. .
Ausserdem wird der Arzt besonders die Willenskraft des
Patienten stärken, so dass dieser je eher, je besser auf
eigenen Füssen stehen und fremden Einfluss entbehren
kann." —
Ist denn das nicht die leibhaftige „Statuvolence
oder der gewollte Zustand"*) unseres Dr. med. Will.
Baker Fahnestock, den dieser schon vor vierzig Jahren in
Amerika im Verein mit La Boy Sünderland gelehrt hat?
Aber man bezweifelt die „dauernde Wirkung" solcher heilkräftigen
Suggestion, Hiergegen fragt Dr. ran Eeden: —
„Geben denn die vertrauenerweckendsten Arzneien die
Bürgschaft, dass die mit ihnen behandelten Krankheiten
nie mehr zurückkehren?" Man stellt sich fälschlich die
Suggestion vor als einen Traum, als ein Etwas, das eigentlich
nicht ist, als etwas nicht Wirkliches, eine Sinnentäuschung,
eine Bezauberung, welche den wirklichen köiperlichen Zustand
unverändert lasse. „Ich wiederhole, dass die Thatsachen es
*) Deutsch erschienen bei Oswald Mutze in Leipzig, 1874 Preis
nur 1 Mark.
Psychische Stadien. April 1891. 12
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