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188 Psychische Studien. XVIII. Jahrg. I. Heft. (April 1891.)
zeugung, dass die Menschen solche immateriellen Scheinbilder
besitzen. Er sah die Spiegelbilder derselben im
ruhigen Wasser oder die Schatten derselben, welche den
Menschen begleiten, an einer Stelle verbleichen, um sofort
an einer anderen Stelle wieder zum Vorschein zu kommen,
oder zuweilen sah er für einen Augenblick den lebenden
Athem derselben als ein<* schwache Wolke, die zwar für
das Auge bald wieder verschwand, von deren Gegenwart
man aber sich durch das Gefühl überzeugen konnte. Das
ist mit wenigen Worten die Seelen theorie der
Wilden und Barbaren, in welcher das Leben, der
Geist, der Athem, der Schatten, die Spiegelung, Träume
und Visionen in einen gewissen Zusammenhang gebracht
werden, um das eine durch das andere in einer das Denkvermögen
des Wilden befriedigenden Weise zu erklären.*4
(Einleitung in das Studium der Anthropologie S. 412.) —
Daher der mit peinlichster Rigorosität beobachtete Cultus
der Verstorbenen bei kriegerischen Stämmen und allen
Völkern des Alterthums, daher selbst der furchtbare Brauch,
beim Tode eines angesehenen Häuptlings Schaaren von
Sklaven und Untergebenen am Grabe zu opfern, da für den
Wilden eine absolute Auflösung und Vernichtung unfassbar
ist, das Leben nach dem Tode in einer dem irdischen Dasein
mehr oder minder ähnlichen Form sich fortsetzen mus>.
„Aus solchen Gebräuchen (fügt Tylor hinzu) erkennen wir
die wirkliche Bedeutung der Ahnenverehrung, die für einen
Chinesen oder Hindu die wichtigste Obliegenheit des Lebens
ist; sie machen es uns verständlich, wie bei den Römern
gerade die Verehrung der verstorbenen Vorfahren od(r
"Lareti das Band bildete, welches die Familie zusammenhielt
.*) Der modernen Zeit ist das Verständniss für diese
Ahnenverehrung ziemlich abbanden gekommen, und mau
stellt sich die Apotheose eines römischen Kaisers oft nur
als einen Akt wahnsinnigen Hochmuths vor, obwohl demselben
eine für jeden Barbaren durchaus verständliche Vorstellung
zu Grunde liegt; nämlich die, dass ein grosser
Herrscher nach seinem Tode sich in eine ebenso grosse
Gottheit verwandelt." (a. a. O. S. 424.) — Achelis handelt
in „Das Ausland" Nr. 38, 18Ü0 nicht weiter vom „Fetischismus
*', den Ideen der Wiedergeburt und Präexistenz, dei*
Inkarnation der transscendentalen Substanz in bestimmte
Persönlichkeiten, von den mythologischen Gestalten u. s. w.,
*) Man sehe hierüber Frau Margarethe Kreyelkds Nachweise in
ihrem Artikel: - „Italische Dämonologie und Mystik" — s. „Psych.
Stud." Januar-Heft 1891 S. 17 ff. - Der Sekr. u. II ed.
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