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194 Psychische Studien. XVIIL Jahrg. 5. Heft. (Mai 1891.)
man nicht auf seine Wünsche einging, mit „physikalischen
Manifestationen" zu spuken begann. Der Vorfall erregte
seiner Zeit das grösste Aufsehen und hatte den Erlass
eines Gutachtens des Dresdener Oberconsistoriums, ja sogar
mehrerer Specialbefehle des Kurfürsten Johann Georg III
im Gefolge, wie wir weiter unten sehen werden.
Der Verlauf der Sache ist folgender: —
Der wohlhabende Oberamtssecretär Simon Hoff mann zu
Bautzen verheirathete gegen den Beginn des Jahres 1683
seine Tochter an den Oberamtsadvocaten Christian Keilpflng.
Das junge Ehepaar bezog nach Hoffmanrfs bald nach der
Hochzeit erfolgtem Tode dessen Haus, worin der Verstorbene
einige Jahre vor seinem Ableben eine Veränderung hatte
vornehmen lassen wollen, wobei man beim Aufgraben
des Kellers übelriechende menschliche Gebeine
fand. Da man besorgte, es möge bei der Pest,
welche 1631 in Bautzen geherrscht hatte, ein
daran Verstorbener hier begraben worden sein,
und Ansteckung befürchtete, so schüttete man die
Grube wieder zu.
In dieses nach Weber1s Angabe noch unverändert erhaltene
Haus zog also das als gottesfürchtig und wohlthätig
bekannte, allgemein geachtete Keilpflugsohe Ehepaar, Zu
Ende des Jahres 1683 genas die junge Ehefrau eines Kindes.
Als sie kurz nach überstandenem Wochenbette die
Haushaltung wieder übernahm, ging sie gegen Weihnachten
am hellen Tage in ein Parterre gelegenes, zur Aufbewahrung
von Wirthschaftsvorräthen dienendes Gewölbe. Hier stand
plötzlich, ohne dass Frau Keilpflug Tritte eines
Nahenden gehört hätte, ein Gespenst „in Gestalt
eines auf wendische oder böhmische Art gekleideten
und um den Kopf ein weiss Tuch habenden Weibs
vor ihr, welches sehr kläglich that und anhob: — 'Komm
doch mit und erlöse mich, denn ich bin in grosser Noth.1" —
Als die aufs Höchste erschrockene Keilpflng fragte, wohin
sie folgen solle, antwortete die Erscheinung: — „In
deinen Keller!" — Die entsetzte Frau verweigerte dies
mit den Worten: — „Lass mich zufrieden, ich kann nicht
mitgehen. Alle guten Geister loben Gott den Herrn !•* —
worauf das Gespenst fortfuhr: — „Ich lobe ihn auch; ich
bitte Dich um Gotteswillen, gehe doch mit und erlöse mich!"
Die aufs Aeusserste entsetzte Knipflug stürzte, die
Thüre hinter sich ins Schloss werfend, zum Gewölbe hinaus
und eilte durch den Hausflur nach der Treppe zu. Allein
das Gespenst folgte ihr, „inständigst anhaltende, sie solle
doch mitgehen und es erlösen, und als es endlich siebet,
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