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248 Fsyehische Studien. XVIII. Jahrg. 0. Heft. (Juni 1891.)
oder vielmehr W i e d c r - Entdeckung eines alten Phänomens
noch weitere Möglichkeiten der Belehrung eröffnet. In
einer Abhandlung über „Einige neuere Experimente über
das Krystall-Sehen" in Part XIV der „Procedings of the
Society for Psychical Research" (London, Trübner, Juny
1889) finden wir die rationelle Erklärung mancher angezweifelten
Geschichte aus dunklen Zeitaltern oder aus
dem Osten. Das Rrystall-Seheu ist in der That eiue einfache
empirische Methode, um künstliche Hallucinationen herbeizuführen
. Wenn eine mit der rechten Art von Gesichts-
Erinnerung — oder irgend welcher beliebigen Fähigkeit —
begabte Person aufmerksam auf einen hellen Gegenstand
blickt, ohne von Gedanken darüber gestört zu sein, so wird
sie allmählich Scenen oder Gestalten darin erblicken, welche
sich in ihm darstellen. Diese Gestalten sind offenbar den
in Träumen gesehenen Gestalten analog; sie scheinen im
Allgemeinen aus einer unbewussten Schicht im eigenen
Geiste des Beschauers hervorzugehen; sie bilden selten
etwas ab, was er nicht denkbarer Weise auch geträumt
haben könnte. Aber auf alle Fälle sind Gestalten vorhanden
; sie sind experimentell erzeugte Hallucinationen;
der Beschauer kann ihr Benehmen beobachten — zuweilen
sogar durch ein Yergrösserungsglas — und so gleichsam
der bewusste Zuschauer der automatischen Wirksamkeit
seines eigenen Geistes werden. Wenig ist bis jetzt noch
über die Bedingungen bekannt, welche diese Gestalten
hervorzurufen geeignet sind; aber es scheint so weit noch
kein Beweis dafür vorzuliegen, dass sie krankhafte Phänomene
seien, sondern eher im Gegentheil, dass sie zu Zeiten gesunder
Ruhe kommen und zurückgehalten werden durch
Krankheit oder Ermüdung.
Diese von selbst herbeigeführten Hallucinationen liegen
jedoch ausserhalb unseres gegenwärtigen Planes. Ich
erwähne sie hier nur, um die zunehmende Wandlung in
unserer Haltung gegenüber Hallucinationen zu erläutern.
Wir hören auf, sie ausschliesslich als Zeichen von Erkrankungen
oder Störungen zu betrachten; wir fangen an,
sie als aus dem unbewussten in das bewusste Selbst emporgesendete
Botschaften anzusehen.
Es ist vielleicht schon genug gesagt worden, dass ein
gut Theil Erkenntniss aus dem Studium dieser sonderbaren
Neben-Producte des menschlichen Geistes gewonnen werden
kann. Sehen wir zu, auf welchem Wege der Census ihn
zu gewinnen sucht.
Professor Sidgwick, Hillside, Cambridge, wird jedem
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