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268 Psychische Studien. XVIII. Jahrg. Ü. Heft. (Juni 1891.)
keineswegs das Bewusstsein des transscendentalen Subjects.
Ein solches läugnet er vielmehr, und darum muss er die
einheitliche transscendentale Psychologie in zwei Stücke
zerreissen, wovon er das eine der Physiologie zuweist, das
andere der Weltsubstanz.
Der Somnambulismus begreift jene Klasse von Phänomenen
, in welchen sich am lebenden Menschen ein in der
Regel latenter Wesenskern zeigt, der vom Organismus
unabhängig ist, ja für dessen Thätigkeitsäusserungen der
Organismus und das ihm anhaftende sinnliche Bewusstsein
sogar Hindernisse sind. Darum sehen wir es fast als eine
allgemeine Regel, dass die mystische Activität und
Passivität die Unterdrückung des sinnlichen Bewusstseins
zur Voraussetzung hat. So im magnetischen Somnambulismus
und im Trance der Medien.
Wer nun solchen Thätigkeiten unseres latenten Wesens
begegnet, worin sich dasselbe als den Träger eines indivi-
dutjllen, ihm eigentümlichen Bewusstseins verräth, der muss
die menschliche Seele anerkennen, mag er wollen oder nicht,
mag er Pantheist oder Materialist sein. Nur dadurch unterscheidet
er sich von den übrigen Gläubigen, dass er diese
Seele in's Unbewusste verlegt, — weil sie uns im Normalzustand
verborgen bleibt, — aber nicht etwa selbst zu einer
imbewussten macht. Wer ferner im Somnambulismus der
Autodiagnose begegnet, der Prognose, dem Heilmittelinstinct
und der Fähigkeit, seine organischen Functionen durch
Autosuggestion zu beeinflussen, oder durch acceptirte
Fremdsuggestion, der wird diese menschliche Seele noch
weiterhin identificiren mit dem organisirenden Princip
unseres Leibes.
Es ist daher nicht zu verwundern, dass alle Magnetiseure
von grosser Erfahrung im Somnambulismus die empirische
Bestätigung von der Existenz einer unsterblichen Seele
erkannten und ihren vorherigen Materialismus preisgeben
mussten. So z. B. Georget, der in seiner — „Physiologie
du systöme nerveux" — noch ganz Materialist war, aber
kaum, dass das Buch erschienen war, den Somnambulismus
kennen lernte und darin den Beweis der Seele fand. Aber
diese seine Ueberzeugung konnte er nur mehr in einem
Passus seines Testamentes bekräftigen, dem er die grösste
Verbreitung zu geben bat.*) — Die gleiche Ueberzeugung
finden wir bei Puysegur, Deleuze und hundert anderen, ja
schon Giordano Bruno — eben weil ihm die Magie kein
*) Macarioi — „Du sommeil", 148.
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