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Schulzt Eine mysteriöse Beeinflussung, 275
dem Gedanken, wieder nach Hause gelien zu dürfen, durchströmte
, kann nur derjenige ermessen, der mehrere Jahre
von der Heimath entfernt war und nun zurückkehrt, um
dort, wie er bestimmt weiss, mit offenen Armen der Liehe
empfangen zu werden und, wie die Verhältnisse noch hier
lagen, einer heiteren Zukunft entgegen zu gehen. Freilich
in Braunschweig war man mit meinem Weggange höchst
unzufrieden, und es war der erste Verdruss, der dadurch
zwischen meinem Chef und mir herbeigeführt wurde. Der
Chef prophezeite mir, wenn wohl auch unbewusst, meine
Zukunft richtig, obgleich nicht mit den Specialitäten;
aber ich glaubte ihm nicht.
Das Ende vom Liede indess war, dass ich ihm versprechen
musste, dass, wenn es mir in Leipzig nicht nach Wunsch
gehen würde, ich wieder zu ihm zurückkehren sollte. Das
that ich denn auch, und wir schieden in Frieden, Wie
wohl ich mit meinem gegebenen Versprechen gethan hatte,
das sollte mir in ganz naher Zukunft klar werden.
Da es zu jener Zeit noch keine Eisenbahn in Braunschweig
gab, so konnte man von da nach Leipzig auf
dreierlei Weise gelangen. Entweder man benutzte die Post,
vielleicht einen Lohnkutscher, die ja auch zwischen beiden
Städten verkehrten, oder man ging eben stolz zu Fusse.
Ich wählte das erste und fuhr mit der Packetpost, die
Donnerstag in der Frühe von Braunschweig abging. Man
berechnete die Entfernung beider Städte von einander zu
2) Postmeilen, was trotz des mehrmaligen Pferdewechsels
einen Zeitraum von fast drei vollen Tagen in Anspruch
nahm und nach heutigen Begriffen eine recht grosse Langweiligkeit
war.
Hier ereignete sich's, dass ich, als ich mich kaum in
den Wagen gesetzt hatte, ich, der ich bis dahin die Fröhlichkeit
selbst war, mit einem Male so betrübt, so traurig
wurde, dass ich gar nicht begreifen konnte, was eigentlich
über mich gekommen war. Diese düstere Stimmung peinigte
mich nicht nur während der ganzen Fahrt, sondern wurde
immer empfindlicher; je näher wir Leipzig kamen.
Als wir am dritten Tage früh in der vierten Morgenstunde
, wo es in dieser Jahreszeit bereits ganz hell war, in
Leipzig in der Klostergasse, wo sich zu jener Zeit die Post
befand, eintrafen, nahm ich mein weniges Gepäck, das ich
zu tragen hatte, und wanderte, noch immer betrübt, dem
Wohnhause meiner lieben Grosseltern zu, welches sich
hinter dem jetzigen Krystall-Palast befand, da wo früher
das zur Fabrik gehörige alte Oekonomiegut stand. Um nach
dort zu gelangen, musste ich durch die Hintergasse, jetzt
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