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Myersj Census von Hallucinationen.
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ehrlich gesinnten Männern in einem Zeitalter der Wissensehaft
würdig ist.
Die nächste Frage auf Bogen B bringt uns zu einem
Punkte von eigenthümlicher Bedeutung. — „Waren zur Zeit
noch andere Personen bei Ihnen anwesend ? und, wenn dies
der Fall war, nahmen Sie in irgend einer Weise Antheil an
dem Erlebnisse?" — Nun hat man bisher immer vorausgesetzt,
dass Hallucinationen, genau genommen, selbstverständlich
nur auf den einen Geist beschränkt blieben, der sie erzeugt.
Selbstverständlich werden krankhafteEinbildungen,
Verfolgungswahn und dergleichen häufig durch Suggestion
von einer wahnsinnigen Person auf eine andere übergepflanzt.
Aber wer würde daran denken, die Frage zu stellen, ob
ein in das Zimmer tretender Fremder, in dem (der bekannte
Buchhändler) Nicolai (zu Berlin) seine phantasmatischen
Gestalten beobachtete, bemerkt habe, dass irgend welche
graue Leute durch das Zimmer schritten? Die vom Zustande
von Nicolai^ Gehirn abhängende Täuschung muss
einleuchtender Weise auf den Leidenden selbst beschränkt
bleiben. Wir haben nun aber eine gute Menge Fälle entdeckt
, in denen, entgegen aller anscheinenden Wahrscheinlichkeit
, dieselbe phantasmatische Gestalt gesehen, oder die
nämliche Stimme gehört worden ist — gleichzeitig, deutlich
und ohne nachweisbare Suggestion — von mehr als einem
Wahrnehmenden in demselben Momente. Man betrachte
diese Thatsache, wie man will, sie ist eins der grössten
lläthsel, welches der Psychologie jemals entgegengetreten
idt. Wir können uns darüber nicht verwundern, dass Personen
, welche ein solches Erlebniss gehabt haben wie dieses,
ganz und gar den Gedanken einer JSE all ucination verwerfen
, — zu versichern pflegen, dass das, was sie sahen,
in einem gewissen Sinne eine Wirklichkeit gewesen sein
müsse. Und im gegenwärtigen Zustande unserer Erkenntniss
können wir dergleichen Entgegenhaltungen nicht widerlegen.
Wir können keine Fälle anführen, in denen Hallucinationen,
welche wahrscheinlich das blosse Resultat krankhafter Zustände
waren, ohne Suggestion von einer Person einer
anderen mitgetheilt worden sind. Und wenn das Wort
Hallucination beanstandet wird, so möge man es ganz
fallen lassen. Seine Anwendung ist in den Census-Frage-
bogen, die ich erörtere, vermieden worden, um selbst dem
Scheine zu entgehen, eine Frage, welche die Forschung
erhebt, im Voraus damit zu beeinflussen.
Als Erläuterung für die Art von Schwierigkeit, welche
uns hier begegnet, will ich die kurze Skizze eines Balles
geben, nicht von gemüthsbewegender oder aufregender Art,
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