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318 Psychische Studien. XVIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1891.)
Behexung, den Einfluss psychischer Factoren auf die magischen
Operationen, die spiritistische Mediumität, die Materialisationen
u. s. w.
Ein so langsamer Fortschritt scheint nur erklärlich,
wenn wir die Ungunst der äusseren Verhältnisse betrachten,
womit der Occultismus zu kämpfen hatte. Das grösste
Hinderniss lag im Verhalten der Kirche. Manche Erforscher
des Occultismus hatten mit der Inquisition zu thun, und
nur diplomatisch angelegte Naturen, wie z. B. Albertus
Magnus, konnten ungestraft „den Weihrauchduft mit dem
magischen Räucherwerk verbinden." Roger Baco, Paracelsus,
Cardanus und Andere wurden als Verbündete des Teufels
angesehen, eine Wichtigkeit, welche in ultramontanen
Schichten Münchens noch heute mir selbst zugesprochen
wird. Später aber, nachdem sich der Occultismus von den
kirchlichen Fesseln befreit hatte, bekam er es mit der Aufklärung
zu thun. Die Kirche hatte wenigstens die That-
sachen zugegeben und irrte nur in der Erklärung; die
Aufklärung aber verwarf die Thatsachen selbst. Freilich
gelang es nicht, den Occultismus ganz zu beseitigen, und
weil er eben die Lebensfähigkeit der Thatsachen besitzt,
zählt er heute mehr Anhänger, als je zuvor. Noch glauben
zwar unsere Naturforscher, dass es ihnen mit der Zeit
gelingen wird, den Occultismus ganz aus dem Bewusstsein
der Menschheit zu streichen; das ist aber ein Wahn, und
im Gegentheile bereitet sich schon jetzt die Periode vor,
da die Naturwissenschaft selbst in den Dienst des Occultismus
gezogen sein wird. Das zeigt sich deutlich genug an den
Vorläufern dieser Bewegung: Crookes, Wallace, Fechner,
Weber, Zöllner u. s. w.
Kiesewetter, der mit Agrippa den magischen Operator
in den Menschen selbst verlegt, hat seinem Werke zwei
Mottos vorangesetzt: den erwähnten lateinischen Spruch
Agrippa's und das Wort des heiligen Augustinus: — „Ein
Wunder geschieht nicht gegen die Natur, sondern nur
gegen die uns bekannte Natur." — Diese beiden Mottos
characterisiren ausgezeichnet den Standpunkt Kiese/vettert.
Das erste macht Opposition gegen die kirchliche Auffassung
des Occultismus, gegen die fremde Quelle seiner Phänomene,
das zweite gegen die naturwissenschaftliche Auffassung,
gegen das Vorurtheil der Gelehrten, als wollten die heutigen
Occultisten mittelalterlichen Aberglauben wieder aufwärmen.
In dem Worte des Augustinus liegt es bereits ausgesprochen,
dass der Occultismus nur unbekannte Physik und Psychologie
ist. Wir wollen nicht das Licht der Naturwissenschaft
wieder occultistisch auslöschen, sondern im Gegentheil den
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