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Wittig: Ein indischer Gaukler nach Frau Blavatsky's Bericht. 343
auf das wir vielleicht bei Gelegenheit zurückkommen, die
ausführliche Geschichte von einem indischen Gaukler, auf
die wir bereits in „Psych. Stud." August-Heft 1888 S. 370
hindeuteten, ohne sie in ihrer Originalfassung zu kennen,
Nach dem Londoner „Light" Nr. 537 v. 18. April er. p. 182
soll sie früher in der kürzlich verstorbenen Madame
Blavaisky Werke: — „Isis Unveiled" („Die entschleierte
Isis") gestanden haben. Sie lautet in deutscher Ueber-
setzung folgendermaassen: —
„Drei junge amerikanische Künstler fanden sich eines
Tages in Indien zusammen und gingen, sich die Vorstellung
eines indischen Gauklers anzusehen. Es
giebt scheinbar keine Grenze, bis zu welcher diese Leute
zu gehen fähig sind. Dieses Gauklers Handwerkszeuge
waren einfach genug. Er war fast ganz nackend und hatte
nur einen Teppichstreifen. Er stand auf einem offenen,
ebenen Platze ganz im Freien, von einem Haufen von
ungefähr 200 Leuten umgeben. Er breitete seinen Teppich
auf dem Boden aus und machte seine Beschwörungsformeln
über ihn. Der Teppich begann sich zu bewegen und zu
regen, als ob etwas unter ihm wäre, und bald kroch ein
Knabe darunter hervor. Der Gaukler erschien nun mit
einem Stücke Tau in seiner Hand, das er zusammenrollte
und empor warf, so dass es sich im leeren Lufträume
verfing und hin und her schwankend bis auf einige Fuss
vom Erdboden herab baumelte. Der Knabe kletterte an
dem Tau empor und verschwand in einer gewissen Höhe.
Der Gaukler rief zu ihm hinauf, und ein Zwiegespräch
entspann sich zwischen ihm und dem unsichtbaren Knaben.
Der unsichtbare Knabe wurde frech, der Gaukler aber
zornig. Endlich klomm der Gaukler am Tau empor, mit
einem Messer zwischen seinen Zähnen, und verschwand gleich
dem Knaben, nichts zurücklassend als das aus dem Unendlichen
niederhängende Seil. Aber in einem Augenblick
darauf fiel aus der Luft eines von des Knaben Beinen
hernieder, das von seinem Körper abgeschnitten war, hierauf
das andere Bein, die Arme, der Leib und zuletzt der Kopf.
Demnächst erschien der mörderische Gaukler wieder, Hand
für Hand sich herablassend. Er legte den Körper uud die
verschiedenen Glieder in ihre gehörige Lage, sprach noch
weitere Zauberworte, bedeckte den Körper mit dem Teppich,
der sich nun allmählich ausglättete, und in demselben
Moment erschien der Knabe lebendig und gesund uud bahnte
sich seinen Weg durch den Haufen nach aussen.*)
*) Wir erinnern hierbei an die merkwürdige Geschichte des Fra
Egidio in Neapel in „Psych. Ötud." Januar-Heft 1891 0. 38 ff. Vgl.
Mai-Heft 1891 S. 237 ff. — Der Uebersetzer.
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