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Kiesewetter: Das Kreuz am Ferner.
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setzen zu müssen, dasselbe in Wien in Pflege gegeben
hatten. Doch waren alle Schritte, den Knaben in Wien
aufzufinden, umsonst.
Tiefsinnig über den doppelten Verlust kehrt Alfred
nach Karlstein zurück und vergräbt sich immer tiefer in
seine mystische Bibliothek, nachdem er an der Unglücksstätte
am Ferner ein Steinkreuz hatte errichten lassen.
Auch der alte Goldgraf hatte, als er seine schöne Gemahlin
verlor, in der Bibliothek Trost gesucht und mit Hülfe eines
berühmten italienischen Nekromanten den Geist der Geschiedenen
citiren wollen, wie in seinem vergilbten Tagebuch
zu lesen stand, und sein Blut regt sich in den Adern des
Enkels. Alfred studirt die Schätze seiner Bibliothek mit
Feuereifer, um mit Hülfe der Magie mit dem Geiste
Moidele^ in Verbindung zu treten» Doch gelingt ihm dieses
Streben nicht, und er erreicht nur, dass er willkürlich
Träume von Moidele hervorrufen kann. — Die fein ausgeführte
psychologische Darstellung dieses Uebergangs-
stadiums im Geiste Alfred^ gehört zu den besten Partien
des Buches.
Mit Einwilligung der geistvollen Leonore beschliesst
Alfred, seinen besten Universitätsfreund, den Dr. Morhof
aus Graz herbeizuholen. Morhof hat, obschon er noch ein
Dreissiger ist, die sämmtlichen hierher gehörigen Fächer
durchforscht, ist ein gründlicher Kenner der Geheim Wissenschaften
und ihrer Literatur sowohl, als auch ihrer Hülfs-
wissenschaften, wie der Astronomie, Chemie, Philosophie u. s. w.,
und lebt, da er über den mystischen Disciplinen ein Brodstudium
versäumte, als armer Privatgelehrter und Schriftsteller
in Graz. Morhof soll seinem Freunde behülflich
zur Erreichung seines Zieles sein und verweist denselben
zunächst auf das Studium des Somnambulismus, auf das
Hineinragen des Menschen in die Geisterwelt, um mit der
entkörperten Geliebten in Verbindung zu treten, und siedelt,
mit der Verwaltung der Bibliothek betraut, nach Karlstein
über. Dort beginnt ein glückliches Zusammenleben der drei
geistvollen Menschen, in deren Unterhaltungen du Prel die
ganze Fülle der occultistischen Probleme auf das Fesselndste
behandelt und wahrhaft goldene Worte der Belehrung für
empfängliche, aber noch unkundige Leser spricht. — Alfred
lässt für Morhof das Laboratorium des Goldgrafen herrichten,
wo dieser nun seinen Studien und Experimenten obliegt und
mit Hülfe der mittelalterlichen Geheimwissenschaften das
Hereinragen der Geisterwelt in die unsere zu ergründen
sucht. Namentlich widmet Morhof seine Zeit nekromantischen
Experimenten und sucht mit Hülfe von Materialisations-
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