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426 Psychische Studien. XVIII. Jahrg. 9. Heft. (September 1891.)
fassung des Promeihus: — „Was ich wachend am Tage
gewahr wurde, bildete sich sogar öfters Nachts in regelmässige
Träume, und wie ich die Augen aufthat, erschien
mir entweder ein wunderliches neues Ganze, oder der Theil
eines schon Vorhandenen."1) — Klopstock gestand, viele
Gedanken zu seiner Messiade im Traum erhalten zu haben.2)
— Voltaire erzählt selbst, dass er im Traum den ersten
Gesang seiner Henriade recitirte, aber ganz anders, als er
wirklich war.8) — Seckendorf hatte einen merkwürdigen
Traum, der damit schloss, dass er über den Traum ein
Gedicht verfasste und in Musik setzte; erwacht schrieb er
Gedicht und Composition auf.4) — Der Physiologe Burdach
sagt: — „Beispiele von Menschen, die während des Naeht-
wandelns besser auf musikalischen Instrumenten spielten,
geläufiger in fremden Sprachen sich ausdrückten, leichter
und besser dachten, als im Wachen, sind häufig. Mein
Jugendfreund Gustav Hansel, der sich wenig oder gar nicht
im Dichten versucht hatte, fand in der Zeit, als ihn der
Gedanke an die Befreiung Deutschlands von der französischen
Herrschaft lebhaft beschäftigte, eines Morgens auf seinem
Arbeitstisch eine von ihm verfasste Ode an Napoleon, welche
Schwung der Gedanken und Feuer des Ausdrucks mit
Richtigkeit des Versbaues vereinigte, und alles Bemühen,
sich seines Dichtens zu erinnern, war vergeblich.5) — Ein
französischer Nachtwandler hatte bei Tag die Idee, eine
Reihe von Reimen auf ique zu finden, wurde in der Arbeit
unterbrochen, vergass darauf und legte sich Abends schlafen.
Am Morgen fand er auf seinem Nachttische das Notizbuch,
das er in seiner Rocktasche gelassen hatte, und darin ein
Gedicht von 73 Zeilen — er giebt dasselbe an mit Versen
auf ique.6) — Heinrich ab Heer kannte einen Jüngling, der
sich mit Dichten beschäftigte und einst vergeblich über eine
an einem Gedicht vorzunehmende Correctur sich besann.
Nachts stand er auf und nahm die Arbeit vor.7) — Professor
Wähner in Göttingen erzählt, dass er einst als Knabe mehrere
Tage vergeblich sich bemühte, einen ihm in der Schule aufgegebenen
Gedanken in griechischen Versen auszudrücken.
Im Traume bildete ihm seine Phantasie die Verse vor; er
stand auf, schrieb sie nieder und fand sie Morgens zu seinem
x) Badestock: — „Schlaf und Traum." 6.
9) Lombrosoi — „Genie und Irrsinn." 12.
3) Voltaire: — „Dictionnaire phii. art. somnambules."
4) Morilz: — „Magazin." V, 1. 55.
_)) Burdach: — Physiologie III: 507.
•) „te Revelateur. Journal du magnetisme." (1837) 165.
n) Schernerx ~ • „Das Leben des Traumes." 283.
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