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du Prel: Der Nachtwandler.
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Flasche Licht verbreitete, und der, wenn er träumte, den
Wagen seines Herrn mit einer Fackel begleiten zu müssen,
eine ausgelöschte Fackeln nahm und an den Strassenecken
anhielt, um den Wagen vorbei zu lassen.
Ziehen wir nunmehr die philosophischen Folgerungen
in Bezug auf die Seelenlehre. Wir können im Schlafe,
also ohne Antheil des normalen Bewusstseins, wandeln,
complicirte Handlungsreihen vornehmen und sogar geistige
Arbeiten der verschiedensten Art verrichten. Demnach
kann dieses normale sinnliche Bewusstsein nicht zum Kern
unseres Wesens gehören, sondern ist ein blosses Accidens,
eine Begleiterscheinung sogar unserer vornehmsten Functionen.
Liegt aber beim Traumarbeiter der geistige Producent im
Unbewussten, so wird wohl auch im Wachen nicht das
Bewusstsein der Producent sein, und werden unsere Gedankenoperationen
sich im Unbewussten vollziehen, so dass
nur das Resultat derselben ins Bewusstsein fällt. Thatsächlich
wissen wir denn auch nicht bei der geistigen Arbeit, welche
Gedanken uns auch nur in der nächsten Minute kommen
werden. Das Bewusstsein verhält sich dabei empfangend,
nicht zeugend; es ist die Mutter, aber nicht der Yater
unserer Gedanken. Mögen wir also schlafen oder wachen,
in beiden Fällen sind unsere Gedanken das Werk des Unbewussten
.
Mit diesem Worte soll nun aber lediglich die Negation
des sinnlichen Bewusstseins ausgesprochen sein. Würde
diese Bezeichnung auch im positiven Sinne gelten, so könnten
in der Traumarbeit nicht logisch geordnete Gedankenreihen
ablaufen, sondern höchstens ein intellectueller Mechanismus.
Ueber diesen reichen aber die berichteten Thatsachen weit
hinaus. Wir müssen also dem sogenannten Unbewussten
ein transscendentales Bewusstsein zusprechen, d. h. unsere
geistige Individualität zeigt sich ins Unbewusste hinein verlängert
. Nur vom sinnlichen Bewusstsein gilt es also, dass es
ein blosses Accidens unseres Wesens sei; das transscenden-
tale Bewusstsein dagegen zeigt sich allerdings verknüpft mit
unserem Wesen, daher wir ihm auch im Reiche der
organischen Thätigkeit begegnen, z. B. in der Autodiagnose
der Somnambulen. Wir stehen also vor der Identität des
denkenden und organisirenden Princips in uns.
Lichtenberg, dessen kurze Bemerkungen oft ganze
philosophische Abhandlungen concentrirt enthalten, hat auch
die unbewusste Quelle unseres Denkens erkannt. Er sagt:
— „Wir werden uns gewisser Vorstellungen bewusst, die nicht
von uns abhängen; andere, glauben wir wenigstens, hängen
von uns ab; wo ist die Grenze? Wir kennen nur allein
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