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du Prel: Der Nachtwandler. 479
überschwänglieh aber ist die pantheistische Erklärung, die
in der Weltsubstanz selbst die Inspirationsquelle des
Traumarbeiters sehen müsste.
Die Analyse des Unbewussten endigt also, auch wenn
wir sie an dem Probleme des Nachtwandlers und Traumarbeiters
vornehmen, mit der Entdeckung einer individuellen
Seele, Damit werde ich es allerdings keiner der bestehenden
Parteien recht gemacht haben: nicht den Materialisten und
Pantheisten, die von einer individuellen, dem Körper vorhergehenden
Seele nichts wissen wollen; aber auch nicht den
Spiritualisten, die nur aus der Analyse der Tagesseite
unseres Wesens die Seele gewinnen wollen und es mir verübeln
werden, aus dem dämmerigen Gebiete der transscen-
dentalen Psychologie, ja aus der Nacht des Unbewussten
die Seele hervorgezogen zu haben. Aber diesen Versuch
kann ich historisch, logisch und biologisch rechtfertigen.
Die spiritualistische Seelenlehre, wiewohl sie schon im
Alterthum anhebt, hat sich doch trotz dieser langen Ent-
wickelung unfähig erwiesen, gegen die materialistischen
Irrthümer einen Damm abzugeben. Die Psychologie muss
also nothwendig neue Wege einschlagen, wenn sie nicht
werden will, was sie auf unseren zwischen Materialismus
und Pantheismus getheilten Universitäten allerdings bereits
ist, eine Psychologie ohne Psyche. Dass dieser neue Weg
ins Unbewusste führt, ergiebt sich aus biologischen Gründen.
Die nach Darwinistischer Auffassung kaum erst aus dem
Thierreiche herausgearbeitete Menschheit kann das Vermögen
des Selbstbewusstseins unmöglich schon in seiner
ganzen Ausbildung zeigen, sondern nur eben die ersten
Ansätze zu einem solchen. Die Natur macht keine Sprünge,
und auch der Mensch bildet keine Ausnahme in der Ent-
wickelung der Natur. Der biologischen Steigerung der
Gestalten sehen wir eine Steigerung des Bewusstseins
parallel gehen. Logisch betrachtet muss aber vom Selbstbewusstsein
dasselbe gelten, was vom ßewusstsein; beide
müssen entwickelungsfähig sein, denn das Selbstbewusstsein
ist nur da§ nach Innen gerichtete Bewusstsein und unterscheidet
sich von diesem nicht durch das Organ, sondern
nur durch das Object.
Die Seele kann also gar nicht in der Bewusstseinsanalyse
gefunden werden, sie muss im Unbewussten liegen. Unser
Selbstbewusstsein erstreckt sich nicht einmal über die
materielle Seite unseres Wesens ganz, wird aber im
Verlaufe seiner Entwickelung nicht nur diese immer mehr
umfassen, sondern auch die geistige Seite des Unbewussten,
von welcher wir im Phänomene des Traumarbeiters den
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