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512 Psychische Studien. XVIII. Jahrg. 11. Heft. (November 1891.)
sagen, dass Lugid sich vor ihm ausgezeichnet habe durch
seine Milde gegen die Mönche." —
Lehrreich ist die erste „Vita Lugidi", weil sie uns
verräth, wie man sich jene „übergrosse Freude und Vergnüglichkeit
" (nimia exultacio et gaudium) dachte, womit
die Engel den „sehr lieben Gastfreund" (hospitem carissimum)
empfingen und so ihrer Pflichten vergassen. Es heisst
daselbst: — „Es wurde aber dem heiligen Fintan offenbart,
dass während sieben Tagen nach dem Tode des heiligen
Lugid eine ungeheure Freude und Schmauserei im Himmel
stattfand, wobei die Hölle beinahe aufhörte und die Finsternisse
vom Antlitze der Erde entflohen und ein jeder Mensch,
welcher Schmerzen hatte auf Erden, gesund ward in diesen
sieben Tagen zur Ehre des heiligen Lugid." — Gott Vater
gab also zur Feier Lugid's eine siebentägige riesige
Schmauserei, über welcher die Engel ihren Donnerstagsbesuch
bei den Heiligen Irlands versäumten. In der abgekürzten
Fassung der „Vite Lugidi" ist dieser Zug
weggelassen.
Hiernach werden wir dem Verfasser unserer Kurzen
Notiz in „Psych. Stud." August-Heft 1891 & 394 ff. wohl
die Richtigkeit seiner Bemerkungen zugestehen müssen,
dass Himmel und Jenseits im Glauben und in den Visionen
der verschiedenen Völker sich genau so wiederspiegeln, wie
die Anschauungen und Bildungsgrade derselben beschaffen
sind. Aber selbst die höchste Idealität und Geistigkeit
wird auf dieser Erde nicht ganz der sinnlichen Bilder und
Vorstellungen entrathen können, um sie wenigstens als
Symbole höherer Wahrheiten und Geistesgenüsse zu ver-
werthen. Wir dürfen also über diese scheinbare Grobsinnlichkeit
keineswegs den Stab brechen, denn sie lehrt uns ein
psychologisches Gesetz, dass wir uns in diesem lieben
niemals über uns selbst hinaus zu erheben vermögen. Aber
auch die alte irländische Litteratur kennt bereits höhere
Gesichtspunkte in dieser Beziehung. Wir erinnern z. B.
an „Die Reise ConnWz" in „Psych. Stud." Juni-Heft
1883 S. 270 ff. mit ihrem uralten irischen Jenseitsglauben.
Von 795 an kamen über Irland die Schrecken des
Vikinger-Zeitalters. Zuerst bis gegen 850 waren es heidnische
Nordgermanen aus der Gegend des Hardangerfjords, die an
Irlands Küsten erschienen und in ihren Schiffen die Flüsse
hinaufzogen. Bald gab es keinen Ort, kein Kloster, keinen
See, keinen Berg, kein Thal Irlands, wohin nicht Vikinger
gekommen waren, wo nicht grössere oder kleinere Trupps
längere Zeit gesessen hatten. Ueberall stürzten sie sich
auf die Klöster, äscherten dieselben ein, tödteten die Mönche
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