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Wittig: Eine Schlacht mit Geistern.
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noch mehr lebende durcheinander, die ganze Ebene war
bedeckt mit Waffen aller Art, und in der Ferne gewahrte
man die letzten der Fliehenden. Man meldete den Vorgang
ins Hauptquartier, und als der Oberst selbst mit seiner
Reiterei herbeikam, da tönte auch hell und lang das
Signal des 150. Regiments durch die klare, sonnige Luft.
Ueber eine letzte Bergkuppe stiegen 200 Schärpenmänner
aus Ingradar in Eilmarsch. Eine Stunde vorher hatte ihr
Signal, das sie von einer Höhe aus auf gut Glück nach
Azimpore hin gegeben hatten, mit seinem Echo an der
Kirchhofsmauer den abergläubischen Feind in die Flucht
getrieben. —
So berichtet uns der Correspondent der „Gartenlaube",
leider ohne seine historische Quelle anzugeben. Seine Erklärung
durch blosses Echo klingt nicht recht wahrscheinlich.
Das heranrückende 150. Regiment war zur Zeit des Gewitters
wohl noch zwei bis drei Marschstunden entfernt, und ob ein
Echo aus so weiter Entfernung ein Signal und Klirren der
Waffen und Kommandorufe in solcher Stärke, dass sich
Bewaffnete vor ihm fürchten, wieder zu geben vermag, steht
sehr dahin. Die Scheu vor den Todten wurzelte wohl in Gemüth
und Erinnerung, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass auch
noch andere erschreckende Momente mit einwirkten. Etwas
Aehnliches berichten uns schon das 2. Buch der Könige,
19. Kapitel und das Buch der Chronica, 32. Kapitel. Vgl.
Jesaias 37. Kapitel.
Auch Anette von Droste berichtet uns von sogenannten
„Vorschauern", dass ein solcher „Leichenzüge, lange Heereskolonnen
und Kämpfe sieht; er sieht deutlich den Pulverrauch
und die Bewegungen der Fechtenden, beschreibt genau
ihre fremden Uniformen und Waffen, hört sogar Worte in
fremder Sprache, die er verstümmelt wieder giebt, und die
vielleicht erst lange nach seinem Tode auf demselben Flecke
wirklich gesprochen werden." — Könnte man nicht eine
gewisse, von dergleichen „Vorschauern" im indischen Heere
auf ihre Genossen übergegangene, psychische Ansteckung
annehmen, eine sog. Kollectiv-Wirkung, welche auch den
„panischen Schreck" schon vor Verlust einer Schlacht
erzeugt ?
Dass das Sehen und Hören von dergleichen Visionen
und Auditionen eine volle Wahrheit ist, hat Schreiber
dieses, der Sekretär der Kedaction, am 3. Juli 1866 an
sich selbst erlebt. Sein einziger jüngster Bruder Emil
Wittig im 1. schlesischen Grenadier-Regimente Nr. 10
kämpfte au diesem Tage in der II. Armee des damaligen
Kronprinzen Friedrich Wilhelm (späteren Kaisers Friedrich)
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