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Wittig: Eine Schlacht mit Geistern.
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erhoben sieh ihre Geister wieder über ihnen und kämpften
noch drei Tage und drei Nächte mit derselben Wuth wie
im Leben. Man denke sich Rom nach Sonnenuntergang *
— Himmel und Ansicht der damals noch so prächtigen
Stadt blutroth — den Contrast römischer und barbarischer
Körper — Physiognomien und Kostüme der Erschlagenen
— die Aehnlichkeit der Geistergestalten mit ihnen, die
Todtenruhe der Ersten, die kriegerische Wuth der
Letzten u. s. w. — ich glaube, hierin liegt der Stoff zu
einem Bilde von ungemeiner Wirkung und Grossartigkeit.
Jedoch glaube ich, dass die grosse Schlacht nur angedeutet,
oder nur eine Hauptgruppe zum Gegenstande der Darstellung
genommen werden müsste." — Schnell wurden vom
Meister die Quellen nachgeschlagen für die übrigens bei
verschiedenen Völkern und zu verschiedenen Zeiten wiederkehrende
sagenhafte Vorstellung, nach welcher blutige
Schlachten und Kämpfe durch den Tod der gefallenen
Helden nicht beendet sind, sondern auch weiterhin in den
Lüften fortgesetzt werden. Klenze war durch Chateaubriand
auf den Stoff aufmerksam geworden. Die wichtigste und
ausführlichste darauf bezügliche Schriftstelle aber fand sich
bei dem auch von ihm bezeichneten neuplatonischen Schriftsteller
Damascius, der in einem Werke über mancherlei
erstaunenswerthe Dinge, welches uns nur durch einen Auszug
des Patriarchen Photius erhalten ist, in dem Leben des
Isidorus von Gaza Folgendes erzählt (Photii Bibliotheca, ex
recens. Imman. Bekker. Berolini 1824, pag. 339 b.J: — „In
„einer Schlacht, welche die Römer unter der Regierung
„ Valentiniaris III. vor den Thoren von Rom gegen die Hunnen
„und ihren Anführer Attila lieferten, wurde auf beiden Seiten
„ein so gewaltiges Blutbad angerichtet, dass ausser den
„Heerführern selbst und wenigen ihrer Trabanten keiner
„der Kämpfenden beider Parteien übrig blieb. Und was
„das Wunderbarste ist, es heisst: da die Streiter gefallen
„waren und nun die Leiber von einander abliessen, da
„setzten die Seelen den Kampf noch drei ganze Tage und
„Nächte fort, und fochten mit gleicher Wuth wie im Leben.
„Man sah und hörte die Schattenbilder auf einander losstürzen
und mit den Waffen zusammentreffen." — »Der
Patriarch Photius hat damit freilich eine Thatsache in die
Geschichte einschmuggeln wollen, die sich niemals ereignet
hat, da niemals ein Kampf Attila^ vor den Thoren Roms
stattfand. Nur von einer Sage kann die Rede sein, welche
bestimmte geschichtliche Thaten in ihrer Weise umbildete,
und welche hier allerdings in echter Volkstümlichkeit das
Hauptergebniss der Völkerwanderung versinnlicht, ähnlich
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